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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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zuckte ganz leicht die Achseln und gab sich Mühe, so auszusehen, als hätte er das alles schon oft gehört.
    Aah-lay-oh! Wieder eine einzelne Stimme, von irgendwo unten am Hügel her. Zwei Takte Stille, dann ertönte der Schrei abermals, aah-lay-oh, aah-lay-oh, wurde schneller und lauter, wie ein Trommeltakt. Es hörte sich an, als wären hundert Mann gleich hinter der nächsten Ecke.
    Und dann, gerade als Tom bei sich dachte, lauter könne es jetzt aber ganz bestimmt nicht mehr werden, hörte alles auf. Einen Augenblick lang herrschte Friede, und dann war ein gewaltiges Krachen von Metall auf Stein zu vernehmen. Dann noch eins und noch eins. Krach! Krach! Schritte kamen den Hügel herauf. Tom schob sich ein wenig dichter an seinen Dad heran, nur einen ganz kleinen Schritt, viel zu winzig, als dass irgendjemand es bemerken würde.
    Die Fletchers standen in ihrer Auffahrt, und es war sieben Uhr abends. Schlafenszeit für Joe und Millie und bald auch für Tom, aber heute war Halsabschneiden. Das war ein sehr altes Ritual, hatte Mr. Renshaw erklärt, als er vorbeigekommen war, um sie einzuladen, das vor Hunderten von Jahren eingeführt worden war. Halsabschneiden. Damals hatte sich das cool angehört, und Tom hatte gemerkt, dass seine Mum sich freute, eingeladen worden zu sein. Als er jedoch den Schritten lauschte und diesem grässlichen Scharren von scharfem Metall gegen Stein, als würden da Messer gewetzt, musste er unwillkürlich denken: wessen Hals?
    Er schauderte und trat noch einen Schritt näher an seinen Dad heran. Neben ihm tat Joe dasselbe. Die Sonne war jetzt verschwunden und ebenso das wunderschöne goldene Licht, das noch vor einer Stunde die Landschaft überzogen hatte. Der Himmel hatte einen kühlen, silbrig-rosigen Farbton angenommen, und auf dem Boden wurden die Schatten länger.
    Weiter oben am Hügel konnte Tom Mr. Renshaw in der Mitte der Straße stehen sehen, in Tweedjackett und Schiebermütze. Neben ihm stand der alte Mr. Tobias, der ein paarmal zu Besuch gekommen war und sich gern mit Mum über Malerei unterhielt. Mr. Tobias sah ganz genauso aus wie sein Sohn, bloß viel älter. Eigentlich waren sie ein bisschen so wie die beiden Kirchen: der eine groß, stark und stolz und der andere auch, aber so alt. Dann war da noch eine Frau, sie war auch groß und gut gekleidet und sah aus wie die beiden Männer. Aber sie war nicht so alt, und irgendetwas war mit ihrem Gesicht. Tom fand, dass es irgendwie leer aussah.
    Neben ihr stand Harry und sah aus wie ein richtiger Vikar, in weißer, mit Gold bestickter Robe und einem großen roten Gebetbuch in der Hand. Hinter ihnen stand eine ganze Menschenmenge, alle fein angezogen, hauptsächlich Frauen und Mädchen. Er hatte gar nicht gewusst, dass so viele Leute in Heptonclough wohnten. Sie standen in Türen, in den Einmündungen kleiner Gassen, lehnten an der Kirchenmauer oder aus Fenstern. Tom merkte, dass er den Blick über die Gesichter wandern ließ und nach einem suchte, das blass war, mit großen, dunklen Augen, umrahmt von langem schmutzigen Haar.
    Mittlerweile konnte man den Lärm von Stiefeln hören, die auf Kopfsteinpflaster stampften. Und dieses grauenhafte Scharren. Wieder und wieder, wie Fingernägel auf einer Tafel, wie die Geigen eines schlechten Schulorchesters beim Stimmen, wie …
    Sensen!
    Jetzt kamen die Männer um die Ecke und den Hügel herauf auf sie zu, und jeder hatte eine Sense in den Händen: eine schrecklich scharfe, gebogene Klinge, wie ein Piratensäbel am Ende eines langen Stocks. Im Gehen schabten sie mit den Klingen über die Pflastersteine und an den Mauern entlang.
    »Oh Mann!«, stieß Alice hervor. »Alles zurück!«
    Tom wusste, dass sie scherzte, doch er trat trotzdem zurück, genau auf den Fuß seines Dads. Gareth Fletcher stöhnte auf und schob seinen Sohn wieder ein Stück nach vorn. Die Anführer der Männer erreichten Mr. Renshaw und die anderen am Kirchentor, und die Prozession hielt an. Ein Mann, ganz vorn, den Tom für Dick Grimes hielt, den Metzger, stieß einen lauten Schrei aus, und jeder Mann in der Schar hob seine Sense auf die Schulter. Dann herrschte völlige Stille. Mr. Renshaw nickte Harry ganz leicht zu.
    »Lasset uns beten«, verkündete Harry, und alle senkten die Köpfe. Joe beugte sich zu seinem Bruder hinüber. »Glaubst du, er hat unter dem Kleid da Shorts an?«, flüsterte er.
    »Gott, der Du uns überschüttest mit der Fülle Deiner Gnade«, las Harry, »und der Du auf die Saat im Boden die Wärme

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