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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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klar. Und es wäre auch kein Date oder so etwas. Rein beruflich, Sie wissen schon. Arbeit – für uns beide.«
    »Danke, ich weiß, was beruflich heißt. Ich wollte sagen, das erscheint mir ein bisschen aufdringlich. Die Fletchers könnten denken, ich spioniere ihnen nach. Es ist ungemein wichtig, Vertrauen aufzubauen, wenn man mit einer Familie arbeitet.« Ach, halt doch die Klappe, du blöde Nuss, du redest ihm das Ganze noch aus.
    »Ich habe schon mit Alice gesprochen. Ihr ist es recht. Und wir sind beide hinterher zum Abendessen eingeladen, aber ich wiederhole, das ist definitiv kein Date.«
    »Ja, das habe ich auch kapiert. Ich verstehe durchaus.« Ein Date mit Harry. Sie war mit Harry verabredet. Duchess machte Anstalten, rückwärts von der Box wegzudrängen, drehte sich auf dem Betonbelag herum. »Hören Sie, Sie haben mich ein bisschen kalt erwischt«, sagte Evi. »Das ist vielleicht eine gute Idee, aber ich muss erst selbst mit Alice sprechen. Kann ich Sie heute Nachmittag zurückrufen?«
    »Natürlich. Jetzt muss ich aber wirklich Gas geben. Bis später.«
    Er war weg – und was im Namen aller wunderbaren Dinge auf dieser Welt sollte sie bloß anziehen?

44
     
    So schnell er konnte, aber ohne zu vergessen, Ausschau zu halten, ob hier vielleicht jemand lauerte, rannte Tom durch den Eingang des Kirchhofs. Er umging die Ruine, sauste an der Kirche vorbei und auf den Friedhof hinaus. Dann hechtete er hinter einen Grabstein, um wieder zu Atem zu kommen.
    Es war halb fünf, und ein paar orange- und rosafarbene Streifen am Himmel zeigten, wo die Sonne vor noch nicht mal fünf Minuten gewesen war. Die Wolkendecke wurde schnell dicker. Das Licht würde rasch nachlassen. Er hatte nicht viel Zeit.
    Er machte sich von Neuem auf den Weg und hielt sich dabei so dicht wie möglich an der Mauer zwischen dem Friedhof und dem Garten. Wenn irgendetwas passierte, konnte er binnen Sekunden darüberklettern und durch die Hintertür ins Haus flitzen. Sie war schnell, das wusste er, aber schnell war er auch.
    Bei Lucy Pickups Grab kauerte er sich abermals hin. Jemand hatte einen kleinen Strauß rosa Rosen daraufgelegt und – irgendwie sah das so traurig aus – einen kleinen cremeweißen Teddybären mit einem rosafarbenen Band um den Hals. Jetzt fiel ihm wieder ein, warum hier im Ort die Freudenfeuer heute angezündet wurden, anstatt am 5. November: Der 2. November war der Tag der Toten. Harry hatte ihnen alles darüber erzählt. Es war der Tag, an dem die Leute all der Menschen gedachten, die ihnen nahestanden und die jetzt tot waren. In Heptonclough besuchten die Leute die Gräber dieser Menschen, beteten für sie, ließen Geschenke für sie zurück. Sie ehren ihre Toten in Heptonclough, hatte Harry gesagt.
    Tom sah sich um. Es war immer noch hell genug. Und er war sehr nahe an der Mauer.
    Eiben taugen nicht als Kletterbäume, das wusste jeder. Sie werden nicht besonders hoch, und ihre Äste werden nicht dick genug. Dieser Baum jedoch hatte einen einzigen starken Ast, der in den Garten der Fletchers ragte. Wenn Tom vorsichtig war und nichts gegen ein paar Kratzer hatte, dann könnte er dort hinaufklettern.
    Er hatte ungefähr zehn, fünfzehn Minuten. Seine Mutter dachte, er würde Hausaufgaben machen, und sie hatte Joe und Millie gewarnt, ja nicht in seine Nähe zu kommen. Fünfzehn Minuten könnten ausreichen.
    Als Tom auf den Baum kletterte, stellte er erschrocken fest, wie viel von dort aus von seinem Zuhause zu sehen war. Er sah Joe auf der Sofalehne entlangkriechen, mit seiner Maschinenpistole unter dem Arm. Tom konnte sogar eine Menge vom Obergeschoss sehen. Da war seine Mum, im Badezimmer, sie griff in den Schrank und holte eine von Millies Windeln heraus. All das brachte ihn ins Grübeln. Saß sie hier, auf diesem Ast, und sah ihnen zu? Eiben verlieren ihre Blätter nicht. Wenn sie ganz still saß, konnte sie hier oben seine Familie stundenlang beobachten, und sie würden nichts davon mitbekommen.
    Um seinen Hals, unters Sweatshirt gestopft, damit sie nicht kaputtging, hing die Digitalkamera von seinem Dad. Er wusste, wie man den Blitz einschaltete, wie man das Bild scharf stellte und ein- und auszoomte. Gestern hatte er den ganzen Abend geübt, hatte Fotos von Millie gemacht, wie sie im Wohnzimmer herumgetanzt war, und dann hatte sein Dad ihm gezeigt, wie man die Bilder auf den Computer herunterlädt. Tom würde warten, bis das Mädchen auftauchte, und dann würde er Fotos machen. So viele, wie er konnte. Und

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