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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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sich selbst, wütend auf die alten Leute in Goodshaw Bridge, die jetzt verstohlen auf die Uhr schauen würden, und sehr wütend auf diesen abartigen Dreckskerl, der glaubte, er könnte ihm Angst einjagen, indem er einen Haufen Knochen und Zweige als Kind verkleidete.
    Gillians Wohnung war nicht groß. Schnell entdeckte er die Küche und dann das Schlafzimmer. Kleidungsstücke lagen dort auf dem Fußboden, schmutzige Gläser standen herum, und auf dem Nachttisch war ein fettverschmierter Teller deponiert. Er zerrte die Daunendecke vom Bett.
    Im Wohnzimmer hatte Gillian sich auf dem Sofa zusammengerollt und umklammerte immer noch das Kaninchen. Er breitete die Daunendecke über sie und ging wieder ins Schlafzimmer, um ein Kissen zu holen. Das schob er ihr unter den Kopf und hockte sich dann hin, so dass er ihr in die Augen sehen konnte.
    »Gillian, ich muss irgendjemanden anrufen«, sagte er. »Jemanden, der herkommen und sich um Sie kümmern kann.«
    Silbergraue Augen starrten ihn an. »Sie«, krächzte sie. »Ich will, dass Sie sich um mich kümmern.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe noch einen Termin. Ich komme jetzt schon zu spät, und Sie brauchen jemanden, der richtig für Sie sorgen kann, nicht einen Mann, den Sie kaum kennen.«
    Gillian stemmte sich auf einen Ellenbogen hoch. Sie löste eine Hand von dem rosa Stofftier und griff sich in die Haare. »Bleiben Sie hier«, sagte sie und strich sich übers Haar, um es zu glätten. Dann richtete sie sich noch höher auf und streckte Harry die Hand hin. »Bleiben Sie hier«, wiederholte sie. »Wir könnten, Sie wissen schon …«
    »Soll ich Dr. Oliver anrufen?«, erbot er sich und hockte sich auf die Fersen, so dass er knapp außer Reichweite war. »Vielleicht hilft es Ihnen ja, mit ihr zu reden.«
    Gillian saß jetzt aufrecht auf dem Sofa und sah ihn mit finsterem Blick an. Auf ihren Wangen war Make-up verschmiert. Ihre Nase war rot vor Kälte. »Ist sie Ihre Freundin?«, wollte sie wissen.
    »Natürlich nicht.« Er wusste, dass es wahr war, doch es kam ihm vor, als würde er lügen. »Ich bin ihr nur ein paarmal begegnet.« Nein, das reichte nicht. Das war unfair, ihnen allen dreien gegenüber. »Aber ich mag sie sehr gern«, fügte er hinzu.
    »Ich dachte, Sie hätten mich gern«, jammerte sie.
    »Das tue ich doch auch«, versicherte er. Wann hatte sie seine Hand ergriffen? »Aber ich bin zu alt für Sie, und …«
    »Das ist mir egal.«
    »… und Sie müssen erst wieder gesund werden, bevor Sie eine Beziehung anfangen.« Er musste sich unbedingt seine Hand zurückholen. Er musste in sichere Entfernung zurückweichen.
    »Wenn ich Sie hätte, könnte ich ganz schnell gesund werden, das weiß ich.«
    Er musste es ihr sagen. Sie musste wissen, dass es niemals dazu kommen würde. »Gillian, ich weiß, wie schwer dieser Tag für Sie gewesen sein muss. Zu sehen, wie die Leute die Gräber besuchen und andere um sich haben, die sie trösten. Glauben Sie mir, ich weiß, wie es ist, allein zu sein.«
    »Ich bin kein Flittchen, verstehen Sie? Seit Pete hat es keinen mehr gegeben.«
    »Das bezweifle ich auch gar nicht. Aber glauben Sie mir, auf diese Weise werden Sie nicht über Hayley hinwegkommen. Was ist mit Ihrem Hausarzt?«
    Damit würde er kein Glück haben. Sie holte tief Luft, setzte an …
    »Sie haben ja keine Ahnung!«, schrie sie ihn an.
    Sie hatte recht. Er hatte keine Ahnung. Er war vollkommen überfordert.
    »Wie wäre es mit einer Freundin?«, schlug er vor. »Gibt es irgendjemanden, der hier in der Nähe wohnt?«
    »Sie geht nicht weg«, sagte Gillian zu einem Punkt irgendwo mitten auf seiner Brust.
    »Wer geht nicht weg? Meinen Sie Hayley?«
    Sie nickte. »Sie ist tot, das weiß ich«, sagte sie. »Das weiß ich schon lange, aber sie geht nicht weg.« Wieder griff sie nach seiner Hand. »Sie verfolgt mich.«
    »Gillian …«
    Ihr Kopf fuhr hoch. Ihr Blick war völlig verängstigt. »Bitte helfen Sie mir«, flehte sie. »Sie können etwas tun, das weiß ich. Machen Sie, dass sie weggeht. Sie können doch einen – wie nennt man so was? –, einen Exorzismus machen.«
    Die junge Frau war völlig außer sich. Sie brauchte dringend Hilfe.
    »Gillian, ich rufe jetzt jemanden an. Sie können nicht –«
    »Hören Sie zu.« Jetzt packte sie seine beiden Hände. Sie war vom Sofa gefallen und kniete vor ihm. »Heute ist doch der Tag der Toten, nicht wahr? Der Tag, wo verirrte Seelen, die den Weg in den Himmel nicht finden können, dahin zurückkommen, wo sie

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