Blutfehde
Wangen röteten sich leicht. Sie blickte zum Spiegel und zu der geschlossenen Tür und begann wieder mit dem Oberkörper zu schaukeln.
»Woher wussten Sie, dass ich gestern Vormittag auf dem Woodlawn-Friedhof sein würde?«
»Es muss ein Zufall gewesen sein. Ich bin oft dort«, sagte sie trotzig. »Ich gehe hin, um mit Bex zu reden. Ich wusste nicht, dass Sie auch dort sind.«
»Sie sollten das nächste Mal Blumen mitnehmen. Der kleine Grabstein wirkt ziemlich kahl. Interessiert es Sie nicht, warum wir sie ausgegraben haben, warum wir ihre Grabesruhe stören mussten?«
»Ich bin kein neugieriger Mensch, Detective. Seit ich Sie das erste Mal angerufen habe, ist mir klar geworden, dass ich meinen Kram besser für mich behalte.« Trish lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
»Ich dachte, Brendan hätte Ihnen vielleicht erklärt, warum wir das arme Mädchen in die Rechtsmedizin bringen mussten -«
»Hören Sie endlich auf damit. Kapieren Sie denn nicht, dass Brendan nichts damit zu tun hat?« Sie wedelte mit ihrer knochigen Hand vor dem Gesicht. »Ich habe ihn nur auf der Totenwache gesehen. Und auf der Beerdigung. Brendan und ich reden nicht miteinander.«
»Aua!« Mike beugte sich zu seinem Knöchel hinab. »Jedes Mal, wenn Sie mich anlügen, fängt mein Knöchel wieder zu pochen an.«
»Warum lüge ich Sie an?« Sie sah wieder zur Tür, als wolle sie den Mut aufbringen, einfach zu gehen.
Mike beugte sich zu Trish Quillian vor. »Brendan hat Sie am Dienstag angerufen. Brendan hat Sie angerufen, nachdem er sich den Weg aus dem Gericht freigeschossen hat.«
Sie setzte sich sprachlos und mit großen Augen auf.
»Was hat er zu Ihnen gesagt, Trish? Ich wette, er hat nicht erwähnt, dass sich keiner mehr um Ihre Mutter kümmern kann, wenn Sie ihm bei der Flucht helfen. Das wäre nämlich Beihilfe zum Mord. Lassen Sie sich nicht von ihm in die Sache hineinziehen.«
Sie sah jetzt direkt in den Spiegel. »Da ist jemand auf der anderen Seite der Scheibe, richtig? Jemand kann uns sehen und hören.«
»Sie reden mit mir«, sagte Mike. »Das ist alles, was momentan zählt.«
»Sie haben also mein Telefon abgehört, stimmt’s?«
»Nein, das haben wir nicht. Wenn wir das getan hätten, brauchte ich Sie nicht zu fragen, was Brendan gesagt hat und wo er sich jetzt aufhält.«
»Ich bin nicht daran interessiert, Ihnen zu helfen, Detective. Sie haben mir auch nicht geholfen, als ich zu Ihnen kam. Sie haben nicht einen verdammten Finger gerührt, um Dukes Mörder zu finden.« Sie stand auf. »Ich kann jetzt gehen, oder? Sie halten mich nicht fest?«
»Ja, Sie können gehen.« Er stand ebenfalls auf und reichte ihr seine Visitenkarte. »Aber rufen Sie mich an, wenn Sie es sich wegen Brendan anders überlegen. Um eines möchte ich Sie doch noch bitten, Trish.«
»Und das wäre?«
Mike zog einen kleinen braunen Umschlag aus seiner Blazertasche und entnahm ihm ein Wattestäbchen. »Könnten Sie sich das kurz in den Mund stecken und etwas Speichel drauftupfen?«
Die Frau schien ebenso überrascht zu sein wie ich. Sie schob Mikes Arm beiseite. »Was soll das?«, fragte sie mit schriller Stimme. »Bin ich jetzt Ihr Versuchskaninchen oder was? Wollen Sie mich mit diesem DANN-Zeug gegen meinen eigenen Bruder ausspielen? Ist es das, was Sie wollen?«
Mike dachte an das Blut am Reißverschluss von Rebecca Hassetts Pullover.
Das Wattestäbchen war auf den Boden gefallen und Trish Quillian hatte die Hand auf den Türknauf gelegt. »Sie wollen meinen Speichel, Detective? Ist es das, was Sie und Ihre eingebildete Freundin von der Staatsanwaltschaft von mir wollen? Als wäre ich eine Mörderin oder Verbrecherin?«
Sie sog ihre eingefallenen Wangen ein und befeuchtete sich die Lippen. Dann öffnete sie den Mund ganz leicht und spuckte in Mikes Richtung, wobei sie seinen Arm nur um wenige Zentimeter verfehlte.
»Hier haben Sie Ihre Speichelprobe, Detective. Sehen Sie zu, ob Sie mich kriegen.«
39
Mike kniete auf dem Boden und tupfte mit einem Wattestäbchen Trish Quillians Spucke auf.
»Wirklich eine sehr elegante Vernehmungstaktik, Mr Chapman. Ich lerne jeden Tag wieder etwas Neues dazu.«
»Ich habe schon an schlimmeren Orten Proben genommen, Coop. Wo ist Mercer?«
»Er telefoniert. Er kommt gleich.«
»Ich bin hundemüde. Ich fahre nach Hause, um mich aufs Ohr zu hauen. Um Mitternacht geht’s wieder raus. Teddy O’Malley hat schon die nächste unterirdische Route geplant.«
»Wenn dir dein Knöchel so
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