Blutfehde
und Brendan am Trevibrunnen, mit dem Datumsstempel auf der Rückseite. Es deckt sich mit ihren Reisedaten. Brendan Quillian können wir streichen, Ms Cooper. Er hat Rebecca Hassett nicht umgebracht.«
Mike rollte seine leere Sandwichtüte zusammen und warf sie in den Abfalleimer. »Warum kommst du nicht mit, Mercer? Alex, du kannst dir das Ganze durch den Einwegspiegel ansehen. Es ist besser, wenn du Trish nicht in Rage bringst, okay?«
»Sie gehört ganz Ihnen, Detective.«
Ich ging mit meiner Cola in den Nebenraum des Vernehmungszimmers. Ein paar Minuten später hielt Mike Trish Quillian die Tür auf. Sie blickte sich in dem kleinen, spärlich möblierten Raum nervös um, dann setzte sie sich und stützte ihre Ellbogen auf den Tisch. Sie trug einen schwarzen Jogginganzug aus Polyester, dessen Jacke mit einem Reißverschluss versehen war und der an ihrer hageren Gestalt hing.
»Ich muss nach Hause, Detective. Ich muss meiner Mutter das Mittagessen kochen.«
»Es ist keine leichte Zeit für Sie, Trish. Zuerst Dukes Beerdigung und jetzt auch noch die Sache mit Brendan. Geht es Ihnen gut?«
Trish blickte auf und sah in den Spiegel. Ich wusste, dass sie mich nicht sehen konnte, aber ich starrte direkt in ihre harten, kantigen Gesichtszüge.
»Haben Sie mich deswegen herbringen lassen, weil Sie sich Sorgen um mich machen?«
»Nein. Eher weil ich mir Sorgen um Ihren Bruder mache.«
»Um Brendan?« Sie ließ die Handfläche nervös auf dem Tisch kreisen und sah Mike an. »Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Zuerst wollen sie ihm den Mord an Amanda anhängen, mit Beweisen, die total an den Haaren herbeigezogen sind, und jetzt, da er Ihnen eins ausgewischt hat, machen Sie sich Sorgen um ihn?«
Mike setzte sich ihr gegenüber. »Trish, er hat eine Frau aus kürzester Entfernung erschossen. Er hat eine Polizistin in Anwesenheit eines Richters und zweier Anwälte umgebracht. Er hat drei Personen verletzt. Er hat zwei Waffen und ein Auto gestohlen. Brendan ist das, was man früher »bewaffnet und äußerst gefährlich« nannte.«
Die schmale Frau schien im Vergleich zur Vorwoche noch mal um zehn Jahre gealtert und verhärtet zu sein. Sie schaukelte mit dem Oberkörper vor und zurück und zeichnete mit der Fingerspitze die Maserungen des Holztisches nach. »Und wie nennt man es jetzt?«
»Wenn Sie mich fragen, Trish, ist Ihr Bruder eine wandelnde Zielscheibe, mit einem großen X auf der Stirn. Wenn ihn ein Cop sieht, der weiß, wie locker ihm das Schießeisen sitzt, legt er Brendan mit dem ersten Schuss um, bevor dieser mit seinem gesunden Auge auch nur halbwegs sein Ziel anvisiert hat.«
Trish Quillian zog einen Mundwinkel zurück, sodass es fast wie ein Grinsen aussah. »Mein Bruder ist für mich schon lange tot, Detective. Wollen Sie mir wirklich weismachen, dass es Sie kümmert, ob ihm etwas zustößt? Ich habe schon vor Jahren aufgehört, mir um Brendan Gedanken zu machen. Gleich nachdem er aufgehört hat, sich um uns Gedanken zu machen.«
»Ich habe mit Phin Baylor gesprochen.«
Ihr Lächeln schwand. »Das habe ich Ihnen ja schließlich auch geraten, oder?«
»Er meinte, Sie sollten nicht mit dem Finger auf einen der Hassett-Jungs zeigen. Phin sagte, wir sollten mit Ihnen lieber über Ihre eigenen Brüder, Brendan und Duke, reden.«
Trishs Gesichtsausdruck blieb unverändert. Sie schaukelte noch immer mit dem Oberkörper vor und zurück und malte mit dem Finger unablässig Kreise auf die Holzoberfläche. »Worüber denn zum Beispiel?«
»Erzählen Sie mir von Brendan. Wie kam er mit Ihren Freunden klar?«
»Meinen Freunden? Sie stellen vielleicht Fragen. Sie wissen ja vielleicht, wie das mit großen Brüdern so ist, Detective.« Sie sah Mike zum ersten Mal in die Augen.
Er nickte.
»All die Jungs, mit denen ich zur Schule ging, sahen zu Duke auf. Er war der Starke, der Straßenkämpfer, der es mit jedem aufnahm, um einem Freund zu helfen. Als schon alle dachten, er würde am Krebs sterben, erholte er sich und wurde wieder stark wie ein Stier. Kein Mensch hat sich mit mir angelegt, weil sie wussten, dass Duke mich beschützen würde.«
»Er hat anderen wehgetan, stimmt’s?«
Trishs Augen verengten sich zu Schlitzen. »Nur wenn der andere angefangen hat. Außerdem hat sich bei mir garantiert niemand beschwert. Ich hätte demjenigen gar nicht zugehört.« Sie drohte Mike mit dem Finger.
»Und Brendan?«
»Die anderen Jungs haben ihn nicht verstanden, warum er Angst vor Tunneln hatte und so. Warum er
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