Blutfehde
»Es wurde niemand sonst als vermisst gemeldet, also wussten wir, dass wir die Toten - unsere drei Opfer - identifiziert hatten. Ich weiß, dass es Mike nie schnell genug geht, aber Sie dürfen nicht vergessen, wie viel wir zu tun haben.«
Da man mit Hilfe von DANN immer mehr Verbrechen aufklären konnte - nicht nur Tötungsdelikte und Sexualverbrechen -, wurde das Labor täglich mit Dutzenden von Aufträgen und Anfragen überschwemmt.
»Man hat Tausende von Hautfetzen und Gewebestückchen in dem Geröll gesammelt«, sagte Mattie. »Die Laboranten haben so schnell wie möglich Extraktionen vorgenommen und die Proben durch die Roboter laufen lassen. Einer meiner Leute bekam gestern ein Resultat, das ihn verblüffte. Da es keinen Sinn ergab, kam er gestern Abend damit zu mir, nachdem Mercer gegangen war.«
»Was ergab keinen Sinn?«, fragte ich.
»Diese… diese Anomalie.«
»Anomalie?«
Mike beugte sich über Matties Schulter. »Ja, Coop. Anomalie. Das ist ein wissenschaftlicher Ausdruck, der normalerweise übersetzt wird mit: »Detective Chapman, Sie sind im Arsch.< Zeigen Sie es ihr.«
Sie zeigte mir einen seitenlangen Bericht von den Biologen, die an den Tunnelproben gearbeitet hatten. Mit der Spitze ihres Kugelschreibers deutete Mattie auf diejenigen Profile, die in verschiedenen Testergebnissen auftauchten.
»Hier ist Tobago Nummer eins, wie wir ihn genannt haben.« Seine Identität war aufgrund diverser Gewebefragmente von der Explosionsstelle mehrfach bestätigt worden.
Sie zeigte auf Tobago Nummer zwei, auf den das Gleiche zutraf.
»Das hier«, fuhr Mattie fort, »ist das genetische Profil von Duke Quillian. Wir haben es von den Hautzellen des Fingers erstellt, den Mike am Tag nach der Explosion sichergestellt hat. Es deckt sich mit den Profilen, die wir von anderen Hautfetzen aus dem Schutt gewonnen haben. Es steht außer Zweifel, dass Duke bei der Explosion in Stücke gerissen wurde.«
»Wo ist dann die Anomalie?«, fragte ich.
»Sie können sich alle Blutproben ansehen, die wir in den letzten zwei Tagen im Rahmen dieser Ermittlungen analysiert haben - und das waren Hunderte. Nicht eine davon - nicht ein Tropfen Blut - stimmt mit der DANN von Duke Quillian überein.«
»Sie haben seine Haut, aber nicht sein Blut?«
»Genau, Alex.«
»Können Sie mir erklären -«
»Wie sich herausstellt, ist da noch die DANN einer vierten Person.« Mattie wackelte mit ihrem Kugelschreiber vor meinem Gesicht. »Die Laboranten haben noch ein anderes Profil erstellt. Eines, das mit keinem der Verstorbenen übereinstimmt.«
»Aber es sind keine weiteren Arbeiter vermisst gemeldet.«
»Richtig, und es ist auch viel einfacher, Alex. Das vierte Profil ist das einer Frau«, sagte Mattie. »Nur eine Spitze. Wieder kein Y-Chromosom.«
»Aber im Tunnel arbeiten keine Frauen. Die Tunnelbauer lassen es nicht zu, es bringt angeblich Unglück.«
»Nicht so hastig, Coop«, sagte Mike.
»Das Blut im Tunnel.« Mattie schob mir ein paar Blätter hin. »Hier, sehen Sie selbst, was ich meine. Dieses Profil lag gestern Abend auf meinem Schreibtisch, direkt neben meinem Ordner über den Hassett-Fall.«
Sie legte zwei Blätter nebeneinander, eines aus der Akte über Bex Hassett und das andere von der Wassertunnel-Ermittlung, und zeigte auf die Allelen, die an dreizehn Stellen übereinstimmten und somit ein einzigartiges genetisches Profil ergaben.
»Wenn das mal keine Anomalie ist, Coop! Die DANN von dieser Blutprobe aus dem Wassertunnel Nummer drei ist absolut identisch mit der DANN von Trish Quillian.«
41
Anna Borowskis Büro überblickte die York Avenue, genauer gesagt den Abschnitt auf der Upper East Side von der Queensboro Bridge bis zur 72. Straße, der einst Mietskasernen beherbergte und jetzt als Hospital Row bekannt war. Wir hatten nur zwanzig Minuten gebraucht, um von der Rechtsmedizin vierzig Blocks weiter südlich hierherzugelangen.
»Wie sind Sie auf mich gekommen?«, fragte die Ärztin, die auf Blutkrebserkrankungen spezialisiert war.
Auf der Fahrt hierher hatte mir Mike erzählt, dass er Anna seit der Zeit kannte, als Valerie noch in Behandlung gewesen war. Mike hatte seine Verlobte beim Blutspenden im Memorial Sloan-Kettering Cancer Center kennen gelernt, wo sie sowohl ihre Operation als auch eine extensive Chemotherapie hinter sich brachte.
»Schlechtes Blut, Doc. Sie wissen mehr darüber als sonst jemand in der Stadt.« Mike blickte zum Campus der Rockefeller-Universität hinüber. Dann wandte
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