Blutfehde
gegangen.«
»Aber Sie sind geblieben?«
Keine Antwort.
»Aber Sie sind bei den Quillians geblieben?«
Kate Meade begann sich vor meinen Augen aufzulösen. Ich hatte sie nach all ihren Gesprächen mit Brendan Quillian gefragt, aber dieses hatte sie mir vorenthalten.
»Ja. Um über Amanda zu reden.«
Ich blickte zu Lern hinüber. Mit einer Hand auf der Schulter seines Mandanten deutete er mit der anderen auf Kate Meade. Mit seiner ernsthaftesten Miene kostete er den Moment aus und genoss das Gefühl, die Zeugin in die Enge getrieben zu haben und sich selbst vor den Geschworenen als unermüdlicher Kämpfer um das Leben seines Mandanten darzustellen.
»Haben Sie an jenem Abend tatsächlich über Ihre beste Freundin, Amanda Quillian, gesprochen?«
Sie schluckte und räusperte sich. »Ja, das haben wir.«
»In welchem Raum fand die Unterhaltung statt?«
Sie hustete. »Im Kaminzimmer. Im ersten Stock.«
Howell ließ Quillian los und ging zum Zeugenstand. Er nahm den Wasserkrug, schenkte Kate ein Glas ein - Kate hatte ihr eigenes Glas noch nicht angerührt - und reichte es ihr. »Sie sehen aus, als wären Sie völlig ausgelaugt, erschöpft, verdurstet. Darf ich Ihnen das geben?«
Sie schob seinen Arm beiseite und schüttelte den Kopf. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schienen sich in rasantem Tempo zu vermehren. Kate Meade, Brendan Quillian und Lern Howell hatten Informationen, von denen ich nichts wusste.
»Haben Sie meinen Mandanten an jenem Abend um etwas zu trinken gebeten?«
Kate sah Brendan verächtlich, ja beinahe gehässig an. »Ja.«
»Und was haben Sie getrunken?«
»Wein. Zu viel Rotwein.«
»Haben Sie das Gespräch zu Ende geführt?«
»Ja.«
»Sind Sie dann gegangen, Mrs Meade? Haben Sie nach dem Gespräch Brendans Haus verlassen?«
Artie Tramm ging einen Schritt auf den Zeugenstand zu. Meine Zeugin sah aus, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen.
»Haben Sie das Haus der Quillians nach Ihrem Plausch mit meinem Mandanten verlassen, um zu Ihrem kranken Ehemann und Ihren geliebten Töchtern nach Hause zu gehen?«
»Nicht sofort.«
»Erinnern Sie sich, was Sie als Nächstes getan haben?«
»Ich war betrunken, Mr Howell. Ich kann mich kaum erinnern -«
»Ich vertraue auf Ihr gutes Gedächtnis, das Sie nach eigenem Bekunden haben, Mrs Meade. Haben Sie an jenem Abend -«
Kate umklammerte das Geländer vor sich und sprach lauter. »Er… er hat meine… meine Situation ausgenutzt, Mr Howell.«
»Würden Sie es bitte diesen Leuten dort sagen.« Lern stand hinter mir und beschrieb mit seinem linken Arm einen großen Bogen in Richtung der Geschworenen.» Stimmt es, dass Sie aus freien Stücken mit Brendan Quillian, dem Ehemann ihrer von klein auf besten Freundin, den Geschlechtsakt vollzogen haben?«
4
»An der Tür steht immer noch >Damen<, oder?«, sagte ich zu Mike.
Die vier Kabinen in der dunkelgrau gefliesten Toilette, die sich gleich um die Ecke von meinem Büro im achten Stock befand, waren leer. Ich hatte eiskaltes Wasser in ein Waschbecken laufen lassen und bespritzte mir damit das Gesicht.
»Ich wollte mich nur vergewissern, dass du nicht in die Kloschüssel gefallen bist. Wo zum Teufel bleibst du denn so lange?«
»Ich brauche einfach mal Ruhe zum Nachdenken. Keine schlauen Ratschläge, keine Anrufe vom Boss, keine Ausflüchte von Kate Meade. Ich versuche mich abzukühlen.«
»Dabei ist das hier drin die reinste Sauna.«
»Ich rede von meinem Gemüt, nicht von meiner Körpertemperatur. Halt mir diese Frau vom Leib, oder ich bringe sie um.«
Richter Gertz hatte uns in die Mittagspause entlassen, und ich versuchte mich nach dem Schock von Meades Zeugenaussage wieder zu sammeln. Ich trocknete mein Gesicht ab und nahm meine hellgelbe Jacke von dem Holztisch unter dem Spiegel.
»Ich dachte, Frauen schwitzen nicht.«
»Das tun wir auch nicht. Ich habe transpiriert. Ich saß diesen Geschworenen gegenüber, während Lern Howell meine Kronzeugin in seiner seidenweichen Art zerpflückte, wurde knallrot und hielt meine Tränen zurück, sodass sie mir stattdessen aus allen Poren getreten sind.«
»Ich hab dir dein Mittagessen auf den Schreibtisch gestellt. Komm endlich.«
»Mir ist übel. Ich kann nichts essen.«
Ich hatte im Gerichtssaal gewartet, nachdem der Richter die Pause verkündet und Artie Tramm die Zuschauer hinausdirigiert hatte. Dann rief ich auf dem Handy meine Assistentin Maxine an und bat sie, Mike zusammen mit seinem besten Freund und Expartner
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