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Blutfehde

Blutfehde

Titel: Blutfehde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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so tief unter der Erde ein Leck haben könnte.
    »Natürlich gibt es Lecks, aber dieses Wasser hier ist ein natürliches Phänomen. Es ist überall, in den Flussbetten und unterirdischen Wasserläufen, und tropft durch das Erdreich und das Gestein. In zwei Minuten sind wir einhundertfünfzig Meter unter dem Hudson River.«
    Ich schauderte bei dem Gedanken, das Gewicht einer ganzen Stadt über mir zu haben. Im Moment konnte ich nur noch stur geradeaus auf Goldens Nasenspitze schauen.
    »Ihnen ist doch nicht etwa kalt?«, fragte er.
    »Ein bisschen.«
    »Die Leute meinen immer, hier drinnen müsste es eiskalt sein. Dabei ist es hier unten das ganze Jahr über erstaunlich mild. Zirka dreizehn Grad.«
    »Neunzig Meter«, sagte der Mann an den Schalthebeln, während der Aufzug immer weiter nach unten ratterte. Die Hälfte unserer vierminütigen Fahrt hatten wir also hinter uns.
    »Was machen die Jungs, um Frischluft zu bekommen?«, fragte Mike.
    »>Frisch< ist nicht unbedingt das richtige Wort. Aber mit Hilfe von Gebläsen wird die ganze Zeit Luft in die Tunnel geblasen, die verbrauchte Luft wird über Rohre abgeleitet. Sie wird permanent auf Giftgase und Ähnliches kontrolliert.«
    Giftgase! Noch eine Möglichkeit, wie man in diesem Wassertunnel ums Leben kommen konnte!
    »Wer das nicht aushält«, fuhr Golden fort, »wird kreidebleich, noch bevor er aus diesem Käfig steigt. Manche sind ganz grün im Gesicht. Wie Kinder, die zum ersten Mal Achterbahn fahren. Man hat so ein flaues Gefühl im Magen.«
    Flau wäre ein gutes Gefühl gewesen. Mir war in der Zwischenzeit übel, und ich klammerte mich an Mercers Hand, während der Käfig vibrierte und gegen die Wand schlug.
    »Einhundertzwanzig Meter.«
    »Überlegen Sie mal«, sagte George. »Drüben im Rockefeiler Center fährt man rauf, um vom Rainbow Room die fabelhafte Aussicht zu genießen. Von dort oben sieht man den Hudson hinauf und glaubt, Kanada förmlich berühren zu können. Noch eine Minute, und Sie sind tiefer unter der Erde als dieser Wolkenkratzer in den Himmel reicht.«
    Die Luft war von der gestrigen Explosion noch immer stickig und verräuchert. Ich hustete hinter vorgehaltener Hand und betete, mich in dem engen Aufzug nicht übergeben zu müssen.
    Golden nahm mehrere kleine Plastikbeutel aus seiner Jackentasche, entnahm einem von ihnen etwas, das darin zusammengefaltet war, und reichte es mir. »Vielleicht wollen Sie eine Maske. Nach dem Feuer fällt einem das Atmen heute noch schwerer.«
    Aus einer anderen Tüte bot er mir Hustenbonbons an. »Alles muss in Plastikbeuteln nach unten gebracht werden - das Mittagessen der Jungs, ihre Zigaretten, ihre Ausweise. Das tropfende Wasser verschont nichts und niemanden. «
    »Einhundertfünfzig Meter.«
    Die aus den betonverstärkten Wänden heraustretenden Tropfen hatten sich in kleinen Rinnsalen gesammelt und drangen durch das Gitter in die Kabine.
    Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, und dachte an den herrlichen Junitag, der mich nach meiner Rückkehr an der Oberfläche erwartete. Als wir fast unten waren, tauchte das künstliche Licht unter uns das scharlachrote Aufzuggitter in einen gespenstischen Schein.
    Der Aufzugführer schob den Hebel zurück, um den Käfig anzuhalten, und kündigte unser Kommen durch einen schrillen Pfeifton an, damit die Landeplattform geräumt wurde. Der Käfig vibrierte an der riesigen Kette, die ihn mit der Winde verband.
    Golden öffnete die Tür und trat auf eine Holztreppe hinaus, die zum Boden des Schachts hinabführte, einhundertachtzig Meter unter Midtown Manhattan.
    »Willkommen am Mittelpunkt der Erde«, sagte er, als Mike ihm die Stufen hinabfolgte. Golden strich mit der Hand über die nasse Wand. »Außer den Tunnelarbeitern - und Ihnen - wird dieses Gestein, diesen Tunnel, der New York über die nächsten Generationen hinweg am Leben erhalten wird, nie jemand zu Gesicht bekommen.«
    Mercer hielt mich nach wie vor an der Hand, und ich folgte ihm aus dem Käfig. Ich blieb neben dem Aufzug stehen und blickte nach oben, als ich laute Klopfgeräusche über mir hörte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er und wand sich aus meinem Griff. »Komm schon, Alex. Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren. Ich verspreche dir, dass ich dich wieder heil nach oben bringe.«
    Ich hielt mich am Geländer fest, weil ich zum einen am liebsten auf der hölzernen Plattform geblieben wäre und zum anderen aufpassen musste, meine geliehenen Stiefel nicht zu verlieren.
    Golden zeigte Mike und Mercer, der

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