Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
Zwangsversteigerung. Es war von hohem Gras umwuchert und vom Wetter verblichen und mochte gut und gerne schon seit zwei Jahren dort stehen. Aber nur weil hier niemand mehr wohnte, hieß das nicht unbedingt, dass auch niemand hier gewesen war. Adam war ganz auf sich allein gestellt; vielleicht war er zu dem einzigen Zuhause, das er jemals gehabt hatte, zurückgekehrt.
Lucy stieg aus dem Taurus und ging zur Haustür. Verschlossen. Durch vor Dreck trübe Fensterscheiben blickte sie ins Innere und sah leere Wände und bloße Holzfußböden, auf denen ein paar Zeitungsfetzen und ein umgekippter Pappkarton lagen. Keine Anzeichen von Vandalismus oder Hausbesetzern. Allerdings auch nicht von Adam.
Sie stapfte zur Rückseite des Hauses. Der Wind, der vom Berg herunterwehte, war so eisig, dass sie ihren Kopf nach unten senken musste, während sie an der Veranda aus Betonplatten und dem Eingang zum Sturmkeller vorbeiging.
Dieser Eingang bestand aus zwei metallischen Schwingtüren, die die Witterung abhalten sollten, aber Lucy entdeckte eine schmale Ritze in der Mitte und drückte mit aller Kraft gegen eine Seite. Nicht verschlossen. Zwar protestierten die Scharniere mit lautem Quietschen, gaben aber schließlich nach, und Lucy konnte die Tür zwei Drittel weit aufschieben. Genug, um sich in den Spalt zu quetschen und hineinzulinsen. Mit ihrer Stabtaschenlampe leuchtete sie die Kellertreppe hinunter. Fußabdrücke waren keine zu sehen, aber vielleicht lag das an dem rauen Betonbelag. Außer dem tanzenden Licht der Taschenlampe bewegte sich nichts. In der stickigen und abgestandenen Luft hing ein merkwürdiger Geruch von Kohlenstaub und altem Papier. Noch einmal warf sie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür. Sie wollte sie so weit wie möglich aufschieben, damit sie nicht mehr zufallen und Lucy hinter sich einsperren konnte. Nach ihrem letzten Aufenthalt in New Hope vermied sie dunkle, schäbige Orte, so gut es ging. Sie fröstelte, als lose Erinnerungsfetzen sie überkamen, legte eine Hand auf ihre Waffe und schlängelte sich durch die Öffnung. Für die unmittelbare Umgebung war der Lichtstrahl der Stabtaschenlampe ausreichend, aber die lauernden Schatten links und rechts neben ihr konnte er nicht vertreiben. Es überraschte sie, dass sie außer Atem war. Das lag nicht am Sauerstoffmangel. Sie hyperventilierte. Konzentriere dich. Bleib ruhig. Nicht so einfach, wie es sich anhörte. Selbst die Stimme in ihrem Kopf klang nach Panik.
Nach wenigen Schritten konfrontierte sie die Schattendämonen mit dem Licht der Taschenlampe. Ein alter Kohleofen verursachte den größten Schatten, zusammen mit einem niedrigen, eintürigen Kühlschrank. Eine Waschmaschine und ein Trockner, auf denen hohe Bücherstapel standen, warfen ebenfalls Schatten. Auf durchhängenden Holzbrettern, einer grau verblichenen Tischtennisplatte und selbst auf den Deckenbalken lagerten Kartons mit weiteren Büchern. Bei jeder Bewegung des Lichts hörte Lucy das leise Rascheln von Mäusen. Sie wischte sich Spinnweben aus dem Gesicht und machte sich auf die Suche nach einem Lichtschalter.
In der Nähe der Treppe hatte sie kein Glück, aber nur wenige Meter von der untersten Stufe entfernt hing eine Schnur. Sie zog daran, aber nichts geschah. Sicher war der Strom schon seit langer Zeit abgeschaltet.
Zwischen den Kisten und Kartons hindurch führte ein freier Pfad von den Außentreppen zu den Stufen im Inneren und bog dann zu einer Tür neben dem Kohleofen ab. Ein gutes Versteck, wenn man jemanden in einen Hinterhalt locken wollte, das Lucy als Erstes genauer unter die Lupe nahm. Die Metalltür sah aus wie eine schwere Außentür. Sie zerrte an ihr, wobei sie die Taschenlampe und die Waffe griffbereit hatte – und brach in lautes Gelächter aus, als ihr Blick auf ein Regal mit Einweckgläsern fiel, die von Staub und Spinnweben bedeckt waren. Sie war im Rübenkeller gelandet. Im Haus ihrer Oma hatte es auch einen gegeben, eine Art Minihöhle, die in die harte Erde gehauen worden war und in der das ganze Jahr hindurch dieselbe Temperatur herrschte.
Vorbei an den Bücherstapeln bahnte sie sich ihren Weg zurück. Dabei fiel ihr auf, dass die Anordnung der Kisten durchaus einem gewissen System folgte – die Kisten bildeten so etwas wie Wände zwischen Phantasiezimmern. Im dem kleinen Bereich in der Nähe des Kühlschrankes und des vermoderten Spülbeckens waren Zeitschriften zu einer Art Esstisch aufgestapelt worden. In einem anderen Bereich lagen überall
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