Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
Comicbücher und Billigromane auf dem Boden neben einer platten und staubigen Luftmatratze, über der eine zweite Glühbirne angebracht war. Sollte das ein Schlafzimmer sein? Und dort, in der hintersten Ecke, befand sich eine alte Toilette. Ein völlig mit schwarzen Schimmelflecken und Spinnweben verdreckter Duschvorhang hing davor. Hatte hier unten jemand gewohnt? Vielleicht Adam?
Sie bückte sich und untersuchte den Boden. Außer den Spuren winziger Mäusepfoten konnte sie nichts Auffälliges entdecken. Als sie mit einem Finger über einen der Zeitschriftenstapel fuhr, wirbelte sie eine dicke Staubwolke auf. Dieser Krempel war seit Jahren nicht angerührt worden. Das war nicht Adams derzeitiges Versteck. Aber trotzdem sah das alles nach einem Kind aus. Nach einem Kind mit dem Bedürfnis, einem leeren Raum eine Struktur zu geben, als wolle es sich einen Zufluchtsort schaffen. Oder sich verstecken. Vielleicht war bei den Caines doch nicht alles in Ordnung gewesen.
Jetzt wünschte sie, sie wäre damals vor vier Jahren hier gewesen und hätte Adam und seinen Vater in ihrer vertrauten Umgebung befragt. Aber Mr Caine war mit dem LKW unterwegs und nicht in der Stadt gewesen. Adam war nach der Entführung seiner Mutter atemlos die Straße entlanggerannt und hatte Lucy angehalten. Der Tatort lag kurz vor den Toren der Stadt, hinter dem Schulgebäude. Der Angreifer hatte sich Marion Caines ramponierten Pontiacs bemächtigt und Adam aus dem Wagen geschubst. Lucy und die Beamten von der Sheriffwache in Huntingdon trafen als Erste dort ein. Die einheimischen Polizisten baten Lucy um Unterstützung, da sie meinten, »es könne mit Ihrem Fall in Verbindung stehen.«
Damals hatte Lucy jegliche Verbindung zu ihrem Fall bezweifelt. Ihr unbekannter Täter war seit zehn Jahren aktiv, ohne auch nur einen Piepser auf dem Radar verursacht zu haben. Er schien ihr nicht der Kandidat für spontane Übergriffe am helllichten Tag zu sein. Aber das Schicksal des Jungen ging ihr ans Herz. Und der Landkreis von Huntingdon brauchte wirklich alle verfügbaren Kräfte, um den Entführer zu stoppen, bevor er Marion Caine etwas antun würde. Die Hoffnungen aller Beteiligten auf ein glückliches Ende zerschlugen sich, als man Marions verlassenes Auto in der Nähe von Stolfultzens Molkerei auffand. Die Beamten ordneten umgehend eine Suchaktion an – aber ihre Mienen verrieten, dass sie eher an Bergung als an Rettung dachten. Lucy stimmte ihnen zu. Aber keiner wollte Marion aufgeben. Nicht, solange ihr zehnjähriger Sohn direkt neben ihnen stand und sie anflehte, seine Mom zu retten.
Adam folgte Lucy auf Schritt und Tritt. Sie machte sich Sorgen um ihn. Eine Suchaktion war nichts für ein Kind, und sie versuchte, ihn nach Hause zu schicken, aber es würde noch Stunden dauern, bis sein Vater oder jemand vom Jugendamt auftauchen würde. Außerdem kannte er sich hier aus, wie er stolz verkündet hatte. Er habe jeden Quadratzentimeter dieser Berge durchwandert, wenn er mit seinem Vater auf die Jagd ging.
Lucy sah den Wagen, aber Adam hörte die Schreie. Er rannte in die Echo Cavern, bevor sie ihn zurückhalten oder Unterstützung anfordern konnte. Pechschwarze Dunkelheit. Daran erinnerte sie sich am besten. Mit der Taschenlampe in der Hand rannte sie Adam hinterher. Aber gegen die undurchdringliche Dunkelheit der Höhle konnte das schwache Licht nichts ausrichten und machte aus Lucy mehr eine Zielscheibe, als dass es ihr half, irgendeine potentielle Gefahr zu erkennen. Aber sie schaffte es einfach nicht, die Lampe auszuschalten.
»Adam!« Das Echo ihrer Stimme schallte hin und her, wirbelte um sie herum, spielte Blinde Kuh mit ihr. Dann hörte sie die Schreie. Schreie von Frauen. Sie lief dem Klang nach und fand zwei nackte Frauen, Eisenschlingen um die Hälse gekettet. Die Halseisen waren durch Handschellen mit dicken Ketten an der Höhlenwand verbunden. Ein Glücksfall, denn das gab den Frauen etwas mehr Bewegungsfreiheit und Lucy würde sie so leichter losmachen können – allerdings verstand Lucy im Nachhinein, dass der Täter so lediglich seine Opfer auf bequeme Weise neu positionieren konnte, wie es ihm gerade beliebte.
Die erste der beiden jungen Frauen, die Lucy befreite, weigerte sich, den Ort ohne ihre Leidensgefährtin zu verlassen. Sie kniete sich neben sie, streichelte ihr Haar und nannte sie bei ihrem Namen. »Rachel, jetzt ist alles in Ordnung. Rachel, wir sind gerettet.«
Die zweite Frau, Rachel, war nicht nur mit einer Kette um
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