Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
aber …«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Wie war es?«
Sie zögerte. Nicht etwa, weil sie nicht wusste, was sie antworten sollte, sondern weil ihr klar war, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde. Und gerade jetzt wollte sie, dass ihm alles an ihr gefiel. Mehr als gefiel. Sie sah durch den Polizeispiegel, der Bob und sie von Roy trennte. Der Meth-Dealer hatte den Kopf auf seine verschränkten Arme sinken lassen. Den Bewegungen seiner Schultern nach zu urteilen, weinte oder schnarchte er. Jenna konnte es nicht mit Sicherheit beurteilen.
»Es war wie beim Training. Ein Mann schoss auf mich und meine Partnerin. Die Waffe lag in meiner Hand, auf ihn gerichtet, also drückte ich ab. Es fühlte sich nach gar nichts an. Keine Gedanken, keine Angst. Einfach nur: Ziel ist frei, Schwerpunkt finden, zwei schnell gefeuerte Einzelschüsse.«
Bob sagte nichts. Jenna wagte nicht, zu ihm hinüberzusehen, aus Furcht, dass sie alles ruinieren würde. Aber seine Finger fassten etwas fester zu.
»Hätte ich doch nur geschossen.«
»Nein. Sagen Sie das nicht.« Sie wandte ihm den Kopf zu, damit sie sein Profil sehen konnte, nicht nur die Spiegelung seines Gesichts in der Glasscheibe vor ihnen.
»Ich bin froh, dass Sie bei mir sind. Ich kann im Moment einen Freund gut gebrauchen.«
»Einen Freund?« Er sah sie an. Sein Blick blieb an ihren Lippen hängen. Er drehte sich ein bisschen zu ihr und verringerte so die Distanz zwischen ihnen. »Ist das alles, was Sie brauchen?«
Zum Teufel mit dem Small Talk. Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und zog ihn für einen Kuss an sich heran, der so ungestüm war, dass ihr Stuhl umkippte. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie sich ihrer Oberteile entledigt und die Lippen aufeinandergepresst hatten. Sie nahmen sich gerade einmal die Zeit, um die Tür zu verriegeln.
»Und er kann uns wirklich nicht hören?«, keuchte sie, während Bob ihr aus der Hose half. Er schüttelte nur den Kopf. Sie fuhr mit ihren Fingern durch sein Haar und scherte sich nicht darum, dass es verschwitzt war, weil er den ganzen Tag den Hut getragen hatte. Sie wünschte, er hätte den Stetson jetzt hier, das könnte interessant werden. Vielleicht beim nächsten Mal …
Die Jungen liebten die Höhle. Sie hatten ein bisschen verhalten reagiert, als er sie zu der Grube führte, in der Sally gerade aufwachte, aber dann kletterten sie rasch die Leiter mit ihm herunter. Gemeinsam packten sie die Spielsachen aus und freuten sich wie an Weihnachten. Adam sah ihnen lächelnd zu. Die Wärme, die er in seinem Inneren spürte, kam nicht von dem Kerosinheizgerät, das er mitgebracht hatte. So fühlte sich Familie an. Wie konnte er das nur vergessen haben? Die Erinnerung an längst vergangene Zeiten versetzte ihm einen leichten Stich. Aber in seinem Kopf spukte gleichzeitig eine Stimme umher, die ihn fragte, ob er so etwas überhaupt jemals erlebt hatte. Darrin imitierte die Stimme von Miss Priss, und Adam scheuchte die quälenden Zweifel beiseite.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit – und um diese Jahreszeit wurde es früh dunkel – erlaubte er ihnen, mit den neuen Taschenlampen nach draußen zu gehen und Holz für ein Lagerfeuer zu sammeln. Sallys Aufgabe war es, nach Tannenzapfen zu suchen, und die älteren Jungen waren für die Zunderpilze verantwortlich. Adam brachte ihnen auch bei, unter den Zweigen der Hemlocktannen nach Holz zu suchen, das trotz des stetigen Schneefalls trocken geblieben war. Der Schnee fiel schon seit Stunden. Mittlerweile bedeckten schon ein paar Zentimeter den Boden, und es würden noch mehr werden. Mit jeder Bewegung durchbrachen die Kinder das gleichmäßige Rieseln der Flocken. Schließlich bündelten sie ihre Ausbeute und machten sich auf den Rückweg. In der Höhle zeigte Adam seinen Geschwistern, wie man ein Feuer entzündet, auch wenn er dabei etwas schummelte und ein bisschen Zündwolle benutzte, die er bei Walmart gekauft hatte. Dann richteten sie mit den Schlafsäcken unten in der Grube ein Lager ein und grillten Käsesandwiches über dem Feuer. Zum Nachtisch gab es Marshmallows mit Schokolade.
Adam hatte fest geglaubt, dass sie danach nur noch erschöpft ins Bett fallen würden. Er war bei Gott hundemüde. Familie war ganz schön anstrengend. Aber die Kinder wollten unbedingt noch Geschichten hören. Also hievte er Sally auf den Schoß und erzählte sämtliche Geschichten, die ihm einfielen. Märchen, die er gelesen hatte, Kurzversionen seiner Lieblingsbücher, und am Schluss die
Weitere Kostenlose Bücher