Blutflucht - Evolution
zog er meine Hand, die er immer noch festhielt, auf seine Brust, genau auf die Stelle, wo er diese merkwürdige lange Narbe hatte. Ich kuschelte mich an seine Seite, meinen Kopf auf seinen Arm, so als hätte ich das schon tausend Mal zuvor getan, und schloss die Augen. Ich spürte seine Erschöpfung und seine Schmerzen – die körperlichen und die seelischen. Er empfand etwas für mich. Da war ein starkes Gefühl in ihm, das ich in meinem Kopf als strahlendes Rosa wahrnahm, umgeben von einer leuchtend gelben Korona. Das zauberte ein Lächeln auf meine Lippen.
»Ich nehme an, du hast deine Kräfte lange nicht benutzt?«, flüsterte er mir mit leicht rauer Stimme ins Ohr. Sein warmer Atem jagte mir wohlige Schauer über den Körper.
»Ich habe sie nie richtig angewendet. Du bist der Erste, bei dem ich sie bewusst eingesetzt habe.«
Jack seufzte. »Ist es nicht traurig, dass wir uns verstellen müssen?«
Ja, das war es.
»Dann bist du also aus der Übung?«, fragte er.
Ich wusste, ohne die Augen zu öffnen, dass er lächelte.
»Bevor ich dir jetzt alles zeigen werde, musst du eines wissen, Kate: Ich bin sehr glücklich, dich gefunden zu haben. Was immer du gleich siehst und du dann von mir denkst … du … ich … habe mich von dem Tag an zu dir hingezogen gefühlt, als ich dich das erste Mal in der Kneipe gesehen habe. Du bist der Grund, warum ich noch am Leben bin.«
Was sagte er da?
Ich riss die Lider auf. Die Welt drehte sich vor meinen Augen. Hatte ich mich vielleicht verhört? Er fühlte sich zu mir hingezogen?
Ich wollte ihn gerade fragen, ob er die letzten Sätze wiederholen könnte, als er sich plötzlich über mich beugte. Seine warmen, weichen Lippen streichelten meinen Mund. Ich ließ es zu und erwiderte den schüchternen Kuss. Nie hatte mich jemand zärtlicher und liebevoller geküsst. In meinem Kopf strahlte das rosa Licht mit dem gelben Kranz unendliche Male heller, während kleine weiße Flammen darin einen wilden Tanz vollführten und in meinem Bewusstsein hin und her wirbelten. Auf meinem Körper breitete sich eine Gänsehaut aus, meine Brustwarzen zogen sich zusammen und ein sanftes Pochen machte sich zwischen meinen Beinen breit. Was für ein wunderbares Gefühl! Jack … Chris … und ich hatten eine besondere Verbindung, die Farben in meinem Kopf waren bei keinem anderen Mann so strahlend gewesen. Jeder Zweifel war wie weggeblasen.
Ich drängte mich Jack entgegen, um ihn leidenschaftlicher zu küssen. Leise stöhnte er in meinen Mund. Mein Blut rauschte wie ein Schnellzug durch meine Adern, während ich seinen nackten Arm streichelte. Meine Hand wanderte höher, in sein leicht feuchtes Haar. Es war dick und dennoch weich wie Seide.
Hmm, Jack roch so gut! Nach Mann und seinem Duft, der mir die Sinne vernebelte.
Als sich unsere Lippen lösten, musste ich unweigerlich seufzen.
»Wow«, sagten wir beide wie aus der Pistole geschossen und lachten. Es war wie eine Befreiung.
Ich brauchte einen Moment, bevor ich klar denken konnte. »Mir ging es bei dir genauso. Wochenlang habe ich gehofft, dass du eines Tages wieder durch Sams Kneipentür kommen würdest – und voilà, plötzlich warst du da.«
»Dann werde ich dir nun zeigen, was in diesen acht Wochen, in denen ich nicht in der Stadt war, geschehen ist. Du bist der erste Mensch, dem ich etwas davon erzähle. Das Komische ist, obwohl ich dich kaum kenne, würde ich dir sofort mein ganzes Leben anvertrauen. Das ist mir bis jetzt noch bei keinem passiert.«
»Nun ja, ich bin ja auch kein richtiger Mensch, das verbindet uns.« Meine Worte waren als Scherz gedacht, aber Jack schaute mich ernst an.
»Doch das bist du, Kate. Du bist menschlicher als die Leute, die mein Leben in einen Albtraum verwandelt haben.«
Wollte ich wirklich wissen, was ihm passiert war? Ich schluckte. Leider war ich von Natur aus neugierig.
»Ich bin schon seit Monaten auf der Flucht vor einem Pharmakonzern. Als sie erfahren hatten, welche außergewöhnlichen Selbstheilungskräfte ich besaß, wollten sie mich für Tests bezahlen, um ein neues Medikament zu entwickeln, das die Genesungsdauer aller Krankheiten und Verletzungen um ein Vielfaches beschleunigen kann. Ich willigte ein und unterschrieb ihren Vertrag, denn warum sollten nicht auch andere Menschen von meinen Fähigkeiten profitieren, dachte ich mir damals. Doch später erfuhr ich von einem Freund, der ein hervorragender Gedankenleser war und mich einmal in das Institut begleitete, was diese Leute wirklich
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