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Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Titel: Blutflüstern: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Fotografien, die Wärme in Eurem Haus und seine Einrichtung …«
    Er sprach nicht weiter und breitete in einer fragenden Geste die Hände aus. Ich wurde rot, als ich es kapierte. »Pierce«, sagte ich verlegen. »Wir sind absolute Mittelklasse. Ich war nie näher dran einen Diener zu haben als damals, als Robbie eine Wette verloren hatte und einen Monat lang mein Zimmer putzen musste.«
    Dem Mann fiel die Kinnlade hinunter. »Das hier ist Mittelklasse?«
    Ich nickte, streckte mich nach dem Zugband und hängte
mich daran. »Der größte Teil der Stadt gehört dazu.« Die Falltür bewegte sich kaum, aber meine Hand rutschte ab. Die Klappe schlug mit einem Knall wieder zu, und ich fiel angewidert wieder auf die Füße.
    Pierce ergriff die Kordel und trat unter die Klappe. Er war nicht viel größer als ich, aber er hatte mehr Muskeln. »Ich kann das«, sagte ich, aber meine Arme zitterten, und letztendlich trat ich zurück, als er die Treppe ausklappte, als wäre überhaupt nichts dabei. Aber vielleicht war es ja auch so.
    Pierce sah in die Dunkelheit über uns, aus der kalte Luft herabströmte, und zuckte zusammen, als ich das Licht anschaltete.
    »Tut mir leid«, sagte ich und nutzte seine Überraschung aus, um mich an ihm vorbei auf die Leiter zu drängen. »Ich bin gleich zurück«, sagte ich. Ich genoss die kühle Luft auf dem Speicher, die angenehm nach Holz und staubigen Kisten roch. Das matschige Geräusch eines vorbeifahrenden Autos klang seltsam nahe. Ich schlang die Arme um mich, während ich die verschiedenen Kisten musterte, die wahllos verteilt herumstanden, als wären sie Erinnerungen im Gedächtnis einer Person. Man musste nur wissen, wo ein Gedanke war, und ihn dann abstauben.
    Ich entdeckte einen Stapel aus sorgfältig beschrifteten Tomatenkartons, in denen all meine Stofftiere waren. Ich lächelte leise und stieg über die Halloween-Dekorationen, um einen staubigen Deckel zu berühren. Ich musste ungefähr zweihundert davon besessen haben, alle gesammelt während meiner Krankenhausbesuche. Ich hatte sie als meine Freunde angesehen, und vielen von ihnen hatte ich die Namen und Persönlichkeiten meiner echten Freunde
verliehen, die es beim letzten Mal nicht mehr aus dem Krankenhaus raus geschafft hatten. Ich wusste, dass meine Mom sie nicht mehr sehen wollte, aber ich konnte sie nicht wegwerfen, und sobald ich mal meine eigene Wohnung hatte, würde ich sie mitnehmen.
    Ich hob die erste Kiste an und stellte sie zur Seite, um darunter eine weitere zu entdecken. Sie war von meinem Dad und hier versteckt, damit meine Mom sie nicht in einem Anfall von Melancholie wegwerfen konnte. Ein paar seiner besten Sachen. Ich grub meine Fingernägel in die kleinen Klappen, um sie besser halten zu können, und grunzte, als sie sich als unerwartet schwer entpuppte. Gott, was habe ich denn da reingepackt?
    »Gestattet mir«, erklang Pierces Stimme an meinem Ellbogen, und ich wirbelte herum.
    »Heilige Scheiße!«, rief ich, dann schlug ich die Hand vor den Mund und fühlte, wie mein Gesicht heiß wurde. »Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du hier oben bist.«
    Pierce’ Entsetzen über meine Sprache löste sich in ein Lächeln auf. »Verzeiht«, sagte er, und ich trat zur Seite, um ihn die Kiste nehmen zu lassen, was er mit bewundernswerter Leichtigkeit auch tat. »Ich mag Dachböden. Sie sind so friedvoll wie eine Kirche Gottes. Abgeschieden und einsam, und doch kann man alles hören. Die Vergangenheit gestapelt wie vergessene Erinnerungen, aber mit wenig Mühe kann man sie zurückholen und erneut genießen.«
    Ich lauschte in die kalte Nacht und lächelte. »Ich weiß genau, was du meinst.«
    Ich achtete sorgfältig auf meine Schritte, als ich ihm zur Treppe folgte. Er bedeutete mir, dass ich vorgehen sollte,
und, begeistert von seinem galanten Benehmen, folgte ich der Aufforderung. Meine Schultern entspannten sich, als ich die Wärme des Hauses wieder erreichte, und ich trat beiseite, als Pierce leichtfüßig herunterkam. Er gab mir die Kiste, um die Leiter wieder zusammenzuklappen, aber dann zögerte er, weil die einsame Glühbirne oben noch brannte. Ohne mich anzusehen legte er den Lichtschalter um.
    Natürlich ging das Licht aus. Ein erfreutes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, und ich bemerkte, dass er nicht mit dem Lichtschalter spielte, sondern nur die Leiter zusammenklappte und wieder in der Decke versenkte. Ich beobachtete, wie er sich die Leitungen aufmerksam ansah, als wollte er sich genau

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