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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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weitergefahren war und einen Rhododendron verstümmelt hatte. Der arme Daniel begann danach schrecklich zu niesen, und mein Vater, ein Oberarzt für Magen-Darm-Krankheiten, schloss daraus sogleich, dass Daniel an einer Grasallergie litt und fortan keine Gartenarbeit mehr machen dürfe. Ich würde nie vergessen, wie ich an einem stickig heißen Sommertag das Gras mähen sollte, während sich Daniel vollkommen unbeeindruckt von seiner ach so schlimmen Allergie neben mir auf dem Rasen sonnte und noch nicht mal Platz machen wollte. Was ich auch nicht vergessen würde, war der Blick, den er mir zuwarf, als ich mit dem Rasenmäher brav einen Bogen fuhr, obwohl ich eigentlich größere Lust hatte, über ihn hinwegzubrummen und seinen Körper in zweitausendsechshundertneunundachtzig blutige Streifen zu verwandeln. Sein Blick sagte nämlich: »Armes Schwesterchen, wie kann man nur so blöd sein?«
    »Wir finden schon noch eine andere Aufgabe für dich, Schatz«, sagte Mutter nach der Episode mit dem wild gewordenen Rasenmäher und brachte das so ungerecht behandelteKind in die Küche, wo es einen Keks mit Butter bekam. Weiß Gott, wie oft ich meine Mutter diese Worte habe sagen hören: Ach, mein kleiner Schatz, wir finden schon noch eine andere Aufgabe für dich. Dem war natürlich nicht so. Sie fanden keine Aufgabe für ihn, denn auch beim Staubsaugen oder Staubwischen begann er herzzerreißend zu niesen, woraus mein Vater eine Stauballergie ableitete. Sollte er sein Zimmer aufräumen, bekam er so heftige Rückenschmerzen, dass meine Eltern ihn immer weinend auf seine von dreckigen Socken übersäte Kommode gestützt vorfanden. Meine Mutter rannte dann mit ihm von einem Chiropraktiker zum nächsten, doch alle konnten nur ihre Verwunderung über seine überaus gesunde Wirbelsäule zum Ausdruck bringen.
    Und so weiter und so fort. Armer Daniel. Zu zart für diese Welt , wie meine Mutter das immer ausdrückte, während ihr besorgter Blick in weite Ferne schweifte. Er wollte übrigens auch nicht essen und musste deshalb mit kleinen, mundgerechten Portionen gefüttert werden, die er aber natürlich immer wieder ausspuckte, damit er sich auch weiterhin durch diese anorektische Reaktion ihrer Aufmerksamkeit sicher sein konnte.
    Daniel wuchs in dem starken Glauben an die Institution Familie auf, in der jeder ihm nur Gutes wollte, während ich selbst mich lediglich in Gesellschaft von unglaublich dummen Menschen wähnte, meinen Großvater in Rødekro einmal ausgenommen. Großvater war neben mir der Einzige, der wortlos dem immer gleichen Theaterstück Der arme Daniel und die harte Welt beiwohnte und mir vielsagende Blicke zuwarf, wenn niemand es sah. Jeden Sommer verbrachte ich bei Großvater und seinen Schweinen, denn das war harte, einfache Arbeit mit simplen Tieren. Sie mussten bloß gefüttert und versorgt werden, und sie zeigten einem ihre Dankbarkeit. Für Daniel war das nichts, er wollte seine Ferien nicht auf einer Schweinefarmverbringen, sodass ich Großvater für mich allein hatte. Großvater, die Schweine, das deutsche Fernsehen und ein paar Butterbrote mit richtig dicker Wurst.
    Trotzdem war Daniel eifersüchtig auf mich. Dabei hatte er alles: Die Liebe unserer Eltern, die vollkommen ungerechte Sonderbehandlung und alle möglichen materiellen Dinge, er brauchte bloß auf etwas zu zeigen und bekam es.
    »Arschloch« hatte er einmal mit der linken Hand auf ein Stück Pappe geschrieben, damit niemand seine Schrift erkannte, und es mir auf das Kopfkissen gelegt. Ein anderes Mal schrieb er »Doofe Tussi« auf die Rückseite eines alten Rezepts und steckte es mir in mein Federmäppchen. Irgendwann später war sein Lieblingsausdruck »Lahme Krücke« . Ich hörte schnell damit auf, seine Beleidigungen meinen Eltern zu zeigen, denn auf so eine Idee würde der arme Daniel doch niemals kommen. Außerdem war das ja ganz offensichtlich nicht seine Handschrift. Bestimmt hatte ich es mir in der Schule nur mit jemandem verscherzt, oder ich hatte es selber geschrieben, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
    »Was ist das nur für ein Teufel, der dich antreibt?«, hatte meine Mutter mich einmal gefragt.
    Kein Teufel, dachte ich, nur du und dein Mann.
    Als Daniel in die Pubertät kam, eskalierte die Situation völlig. Aus den einzelnen Worten wurden ganze Sätze oder Briefe, geschrieben auf den Schreibmaschinen der Eltern seiner Freunde. Er schickte sie mir anonym, mal frankiert mit der Post, mal steckte er sie einfach so in den Briefkasten. Ich

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