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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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vor mir in Richtung Uni aufmachte. Genauso verhielt ich mich bei den anderen in ihrem Alter, obwohl ich ja nicht so viele traf. Wir hatten mal eine Praktikantin am Institut, die mich in gleicher Weise verändert hatte. Mutter billig abzugeben , dachte ich beschämt, während ich mich distanziert betrachtete. Plötzlich musste ich an den Spruch auf einer Toilettentür im Odenser Bahnhof denken: Fotze zu verkaufen – VIEL benutzt, 1 , 75 groß, dicklich, schlammfarbene Augen. BILLIG !
    Ich lächelte innerlich und atmete tief durch. Dabei war das eigentlich nicht witzig. Das musste aufhören. Ich schwieg und verordnete mir selbst, Sarah in Ruhe zu lassen. Irgendwo musste man ja anfangen. Und trotzdem – bevor ich ging, konnte ich es nicht lassen, ihr meine Visitenkarte zu geben:
    »Ruf einfach an, wenn ich dir irgendwie helfen kann«, hörte ich mich selbst mit einschmeichelnder Stimme sagen, während meine Gedanken schrien: Hör auf! Hör auf! Hör auf!
    Nicht einmal vor einem Mann hatte ich mich jemals derart angebiedert. Aber als ich aufstand und ging, lächelte sie und sagte dankend: »Komm bald wieder.«
    Niemand kann meine Gedanken lesen. Sie hält mich bestimmt nur für eine freundliche, hilfsbereite Ärztin.
    Ich ging nach Hause. Es war bald zehn Uhr abends, und der Regen klatschte wieder auf mich herab. Ich spürte wieder dieses sehnende Ziehen in mir. Jemand musste den Lärm in meinem Kopf zum Schweigen bringen und die vielen Hohlräume da drinnen vollstopfen. Ich wollte vergessen, Nkem, Daniel, alles über ihn, verschanzte mich hinter meinem iPod und ließ mich von Send me an angel to love daran erinnern, wohin ich musste, wenn ich erst im Bad gewesen war.

19
    Wieder dieser Geruch nach Reinigungsmitteln. Eine neue Hilfskraft – dieses Mal ein junger Mann – öffnete die Tür und musterte mich mindestens so misstrauisch wie Else. Was hatte ich denn um diese Uhrzeit hier verloren. War ich käuflich? Teuer oder billig? Vermutlich gingen ihm solche Fragen durch den Kopf. Ich folgte ihm über den langen Flur, der Klang meiner Schritte kollidierte mit seinem Schweigen.
    Der Rollstuhlmann drehte sich um, als er mich auf meinen hohen Schuhen heranstöckeln hörte. Seine Wangen wurden rot. Ich beugte mich hinunter und gab ihm einen Kuss. Es wirkte nicht seltsam, eher so, als täte ich das seit vielen Jahren.
    Er hauchte mir ins Ohr: »Hallo, mein süßer Schatz.«
    Wann hatte mir das letzte Mal jemand so liebevoll etwas zugeflüstert? Hatte das überhaupt schon mal jemand getan?
    Auch an diesem Abend war ich zurechtgemacht. Ich roch gut. Er sah mich an, und ich fühlte mich attraktiv. Ich bekomme immer so ein Zittern im Körper, wenn du mit mir sprichst, man könnte meinen, ich sei in dich verliebt, hatte ich ihm am Telefon gesagt.
    Ich sah ihn an, wandte meinen Blick wieder ab, sah ihn jedoch sofort wieder an. Seine Augen lagen ruhig auf mir. Je länger er mich musterte, desto attraktiver fühlte ich mich, und auch das Zittern war jetzt wieder da, zunächst wie eine Hintergrundmusik, die dann aber alles zu überlagern begann. Genau wie bei körperlichen Schmerzen.
    Ich musterte seinen runden Bauch und seine toten Beine, aber auch dieser Blick änderte nichts an meinen Gefühlen. Als ich die Strümpfe in seinen Sandalen wahrnahm, dachte ich, dass jetzt bestimmt Schluss war, dass die warmen Gefühle sichjetzt mit einem Schlag in Luft auflösen würden, aber so war es nicht. Irgendwie sah ich über all das hinweg.
    Ich setzte mich aufs Sofa und er fuhr mit dem Rollstuhl neben mich und musterte mich noch einmal. Auf dem Tisch standen eine Flasche Amarone und zwei Gläser. Ich stand auf und goss uns ein. Hey, dachte ich, immerhin konnte er noch denken, sprechen, schreiben und mit den Armen herumfuchteln. Und er kriegte es noch hin zu küssen. Ich stellte sein Glas auf seine tote Hand, und er führte die Hand zum Mund und leerte es. Als ich ihn umarmte, hörte ich seine Lungen pfeifen.
    Ich kann nicht gehen, ich kann meine Hände nicht benutzen, ich kann mich nicht räuspern, nicht husten …
    Ich dachte an einen Bettler, den ich vor Jahren in Barcelona gesehen hatte; er hatte unten in der Metro in seinem Rollstuhl gekauert, beide Arme an den Ellenbogen abgetrennt. Und ich dachte an den kleinen Menschen in Indien, der jeden Tag auf einem Teppich auf die Straße gesetzt und abends wieder hereingeholt wurde. Ich wusste nicht, ob es ein Mädchen oder ein Junge gewesen war, eine Frau oder ein Mann, aber ich dachte: Konnte

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