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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Halt dich von ihm fern, Maria! «
    Ich überprüfte, ob Emily geantwortet hatte, was nicht der Fall war. Dann ging ich in die Bibliothek und aß, was ich an alten Früchten finden konnte, eine weiche Pflaume, einen einigermaßen frischen Apfel und eine braun gewordene Banane. Noch immer hungrig durchsuchte ich das Sekretariat und aß alle Mandeln, die Marianne in ihrem Schälchen hatte. Dann zog ich Ruths unterste Schublade heraus. Dort versteckte sie immer ihre Schokoriegel. Leider war nur noch einer da. Ich aß ihn auf und ging wieder zurück in mein Büro, wo ich das Licht ausmachte und mich so auf das Sofa legte, dass ich sehen konnte, wenn eine neue E-Mail einging.

25
    Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn ich wachte erst am nächsten Morgen mit schmerzendem Rücken auf. Es war eine dumme Idee gewesen, die ganze Nacht auf dem Sofa zu verbringen, und geantwortet hatte sie auch nicht. Den ganzen Tag über hörte ich kein Wort von ihr. Langsam wurde ich nervös und ungehalten. Was dachte sie, was hatte sie jetzt vor? Warum in Gottes Namen antwortete sie mir nicht? Einer nach dem anderen erschien in meiner Tür und wollte irgendetwas wissen, und ich antwortete ihnen allen fahrig und abwesend. Als ich Hunger bekam, entschloss ich mich schließlich, nach Hause zu fahren und dort etwas zu essen. Auch die Katze hatte noch nichts bekommen. Während ich vom Institut in meine Wohnung im Jagtvej und nach dem Essen wieder zurück fuhr, diskutierte ich mit mir selbst, ob ich Emilys E-Mails an den Staatsanwalt weitergeben sollte. Eva Sommer würde ich damit zu Fall bringen können, Daniel aber wäre dann wieder frei. So wie es jetzt aussah, steckte vor allem er in der Klemme. Dennoch musste Recht ja Recht sein, oder? Um Daniel konnte ich mich ja noch anschließend kümmern. Vermutlich hatte ich genug in der Hand: die verlorene Kassenzulassung in den USA und der mutmaßliche Diebstahl der Identität eines texanischen Urologen mitsamt seines Lebenslaufes. Letzteres war natürlich nur eine Vermutung, auf die bis auf Weiteres nur das entliehene T. in Daniel T. Sommer hindeutete. Mein innerer Monolog ging hin und her, während ich noch immer auf Emilys Antwort wartete. Irgendwann hätte ich vor Frust und Ungewissheit platzen können. Als der Tag zu Ende ging, ohne dass ich von Emily gehört hatte, fuhr ich direkt zum Rollstuhlmann, ohne mich, wie sonst üblich, vorher umzuziehen oder zu schminken.Ich trank schon um sechs Uhr und auf nüchternen Magen reichlich Amarone und war danach sicher keine gute Gesellschaft mehr. Ständig fauchte ich ihn an, und während er über »uns« reden wollte, hatte ich nur Emily im Kopf.
    »Habe ich dir gesagt, dass ich dich liebe?«
    »Ja, mindestens fünfhundertmal.« Er legte seinen halbtoten Arm um meine Schulter.
    Ich schob ihn weg. »Hör auf!«
    »Wenn ich dir irgendwie helfen kann …«
    »Das kannst du nicht.«
    »Was willst du dann hier?«
    »Deinen Wein trinken«, fauchte ich und bereute es sogleich.
    »Jetzt beruhig dich doch, ich würde alles für dich tun. Was darf’s denn sein? Soll ich jemanden für dich umbringen?«
    »Du jemanden für mich umbringen?«, konterte ich sarkastisch und verdrehte die Augen. »Das kannst du doch gar nicht.« Es klang verkehrt, es klang verächtlich.
    »Man kann Leute mit so etwas beauftragen.«
    »Ich will niemanden ermordet haben, was redest du denn da?«
    »Das war nur so dahergesagt, ich wollte damit nur sagen, dass ich wirklich für dich da sein will.« Der Hundeblick, den er mir zuwarf, ließ mich innerlich gefrieren. Mir wurde eiskalt.
    »ROLLSTUHLMANN OPFERT SICH FÜR VERRÜCKTE RECHTSMEDIZINERIN! Wirklich eine tolle Schlagzeile!«
    Er schob seinen Rollstuhl etwas nach hinten und sah mich entsetzt an.
    »Rollstuhlmann?«
    »Sitzt du nicht in einem Rollstuhl?«
    »Denkst du so über mich?«
    »Entschuldige. Heute ist einfach nicht mein Tag.« Ich leertemein Weinglas und knallte es auf den Tisch. »Kümmere dich nicht um mich, ich bin heute irgendwie nicht ich selbst«, sagte ich und stand auf. »Ich kann im Moment nur an sie denken. Das solltest du doch verstehen. Für andere ist da gerade kein Platz.«
    Ich musterte sein Gesicht. Es wirkte verschlossen. Eine riesenhafte, unsichtbare Mauer türmte sich plötzlich zwischen uns auf. Er hatte sich mir verschlossen.
    »Entschuldige«, murmelte ich und ging.

ODENSE, OKTOBER – NOVEMBER 2010
26
    Während des restlichen Frühjahrs und Sommers isolierte ich mich mehr und mehr. Ich vertiefte

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