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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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mich vollständig in meine wissenschaftliche Arbeit und versuchte mich im Vergessen aller anderen Obsessionen. Wieder half mir Doktor Glas: Vielleicht hätte ich nicht so viel denken sollen … Die Wissenschaften sind insofern nützlich, als sie den Menschen vom Denken abhalten. Entsprechend publizierte ich wie eine Wahnsinnige, nahm an allen Kongressen teil, die ich nur erreichen konnte, und vermied gleichzeitig Begegnungen jener Art, die ich hätte suchen sollen. Nämlich: Begegnungen privaten Charakters.
    Ich war noch immer sauer auf Nkem, genoss es, ihr die kalte Schulter zu zeigen oder ihren verletzten Blick zu sehen, und versuchte mich selbst davon zu überzeugen, dass sie ebenfalls eine dieser banalen Frauen war, die nichts anderes konnten als Frauenzeitschriftspsychologie herunterzuleiern. Ihre Ikea-Therapie war wirklich unverzeihlich. Und ihr Volvomann auch. Irgendwann gab sie es auf, in mein Büro zu kommen und mit eindringlicher Miene: »Kedu« zu sagen, ihre Art, mich zu fragen, wie es mir ging. Irgendwann lächelte sie mich nur noch wehmütig an, wenn wir uns auf dem Flur oder bei den Institutskonferenzen trafen. Wenn ich mein Hirn von den Bildern ihres wohlmeinenden, warmen Gesichts freimachen wollte, das mir mehr und mehr auf die Nerven ging, füllte ich meine Ohren mit Metallicas Die, Die My Darling und sang bei Yeah I’ll be seeing you in hell besonders laut mit.
    Der Rollstuhlmann hatte mich auf Eis gelegt, und eigentlich war mir das ganz recht. Mir war klar, dass er darauf hoffte,mich mit einem Haufen Entschuldigungen wieder bei ihm ankriechen zu sehen. Nur ein Mann, der erfolgreich in diverse Fonds investiert hatte, konnte eine solche Geduld aufbringen. Aber er musste noch ein bisschen warten, denn in der Zwischenzeit hatte ich mir die Theorie zurechtgelegt, dass ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt nur eine begrenzte Menge starker Gefühle in sich tragen konnte. In jedem Fall war das, was mich wie ein Wasserfall gepackt hatte, als ich bei ihm gewesen war, ziemlich still verebbt, ja wie von einer gezeitenartigen Kraft, die alles erfüllte und mit sich riss, zerschlagen worden, nachdem Emily auf der Bildfläche aufgetaucht war. Dabei hatte ich kein Wort mehr von ihr gehört, nachdem ich ihr gesagt hatte, dass ich nicht Daniel war. Wenn sie diese E-Mail denn überhaupt gelesen hatte und nicht bereits tot war. Oder hatte ich etwas Falsches geschrieben, mich blöd ausgedrückt und sie verschreckt? Ich verstand es nicht. Wenn sie in meinen Gedanken auftauchte, versuchte ich sie mit meiner Arbeit zu verdrängen und normal zu sein: Inzwischen war das fast zu einer Besessenheit geworden. Andererseits genoss ich unbeschreiblich, dass meine Kollegen mich dank meiner zahlreichen Publikationen mehr und mehr achteten, weil sie darin ein Zeichen von Normalität sahen. Je erfolgreicher, desto normaler. Und genau das wollte Emily ja haben: eine normale Mutter.
    Doch all das, was ich über Monate hinweg verdrängt hatte, meldete sich an dem Morgen, an dem ich vor Gericht im Fall Josefine aussagen sollte, mit wütender Kraft zurück. Die Sorge um Emily, die Wut auf Daniel, die Gereiztheit und der Ärger. Während ich zum Gerichtsgebäude fuhr, kulminierte das Ganze in akuter Nervosität, die sich fast wie eine Krankheit anfühlte. Würde Daniel den Mund halten? Oder würde er im Gerichtssaal aufstehen, auf mich zeigen und sagen: »Das ist meineSchwester. Sie kann in diesem Prozess gar nicht aussagen.« Ich hätte wirklich im Vorfeld abklären müssen, ob meine Untersuchungsergebnisse als nicht statthaft angesehen werden konnten, weil ich seine Schwester war. Dankbar dachte ich an das Gutachten der rechtsmedizinischen Vereinigung, das meine Annahmen bestätigte.
    Als ich am Gericht vorbeifuhr, sah ich Karoly und Fyn Nielsen. Sie standen vor der Tür und rauchten. Ich bog nach links ab und belegte den letzten freien Parkplatz in der Tinghusgade. Es war zehn Minuten vor neun, und da ich für neun Uhr einbestellt war, konnte ich mir im Auto noch eine Kippe gönnen. Fyn Nielsen sollte nicht mitbekommen, wie Karoly und ich miteinander umgingen.
    Eva und Daniel hatten ihre Aussage tags zuvor gemacht. Ebenso der Pädagoge aus Josefines Kita und einer der Polizeibeamten, der an der Ermittlung beteiligt gewesen war. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Zeugen noch nach mir befragt werden würden. Auf jeden Fall war der Fall kompliziert. Die Staatsanwaltschaft forderte Freiheitsstrafen, während die Angeklagten auf nicht

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