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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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typischer Körper lag gestempelt und fertig vor mir wie der eines Opferlamms.Aber ich war nicht klüger geworden. Vielleicht hätte ich dafür ihr Hirn untersuchen müssen, während sie noch am Leben war. Ich tauschte das Vergrößerungsglas gegen das Diktaphon ein und begann die äußere Leichenschau strikt nach Vorschrift, als plötzlich die Tür aufflog und Schweinebacke und Bonde Madsen in den Raum traten. Der leitende Rechtsmediziner schien vor Wut zu kochen, während Schweinebacke zu Boden schaute.
    »Schichtwechsel! Krause, Sie kommen mit mir in mein Büro!«
    Es war schon das zweite Mal, dass er so etwas machte. Das erste Mal war kurz nach meiner Anstellung gewesen, im Sommer 2009. Die Polizei hatte sich bei ihm über mich beschwert und vorgebracht, mein Verhalten deute darauf hin, dass ich das Opfer kannte. Ich wusste, dass Bonde Madsen sich gerne aufblies, wenn man ihm dazu die geringste Gelegenheit bot. Mit seinen eins neunzig hätte er eigentlich gelassener sein können.
    Micky reichte Schweinebacke Mundbinde und Handschuhe und sah nervös von einem zum anderen. Schweinebacke hatte seinen Blick noch immer gesenkt, fummelte aber mit zitternden Händen an Mundbinde und Handschuhen herum, bevor er schließlich in den Raum trat, ohne mich anzusehen.
    All right, dachte ich, besser nichts sagen, besser einfach mitgehen, damit Bonde Madsen mich vor den anderen nicht vollständig demütigte.
    »Und jetzt?«, fauchte ich ihn leise an, als wir auf den Flur traten, wo ich mich fragend umdrehte. Er legte seine Finger fest um meinen Oberarm.
    »Halten Sie die Klappe und kommen Sie mit!« Sein Atem war viel zu laut.
    »Lassen Sie das«, schimpfte ich und zog den Arm weg. Sein Keuchen wurde noch lauter.
    Wir liefen wortlos über den Flur zu seinem Büro. Bevor er die Tür öffnete, fragte er mich: »Wollen Sie einen Vertrauensmann dabeihaben?«
    »Nein, das will ich nicht, was ist denn los?«
    »Ich habe gerade erfahren, dass die Frau, die Sie da obduzieren wollten, Ihre Schwägerin ist.«
    Er knallte die Tür hart hinter uns zu und baute sich mitten in seinem Büro auf. Es war größer als meins, aber er war ja auch der leitende Rechtsmediziner und ich nur seine Stellvertreterin. Das sollte ich jetzt zu spüren bekommen. Er war der Chef.
    Ich blieb mit dem Rücken an der Tür stehen, setzte die mentale Gasmaske auf und inhalierte tief. Sein Gesicht wirkte blass und eingefallen, als hätte er vor lauter Alkohol und Zigaretten das Schlafen vergessen. Ich sah zu Boden. Das hatte ja so kommen müssen. Aber warum jetzt? Warum hatte Daniel den Mund nicht gehalten? Wenn es denn Daniel gewesen war. Oder war die Information von Karoly gekommen? Warum jetzt?
    »Das stimmt«, sagte ich. »Aber ich kenne sie überhaupt nicht.«
    »Was?«, rief er. »Sie haben heute Nacht die Tatortuntersuchung im Haus Ihres Bruders gemacht. Sie haben ein Familienmitglied für tot erklärt. Das dürfen Sie nicht, und das WISSEN SIE GANZ GENAU!«
    Natürlich wusste ich das. So etwas lernte man schon im ersten Semester. Es war sogar im Gesetzestext festgehalten, dass man keine Personen für tot erklären durfte, mit denen man verwandt war. Familienmitglieder obduzieren durfte man hingegen.
    »Ja, aber wissen Sie was, ich habe sie mein ganzes Leben weder getroffen noch mit ihr gesprochen.«
    »Das ist vollkommen egal. Und das wissen Sie auch. Sie habendamit Ihre Kompetenzen gewaltig überschritten. Also warum in Gottes Namen …?«
    »Ich rede schon lange nicht mehr mit meinem Bruder und habe ihn im Grunde nicht mehr gesehen, seit ich achtundzwanzig war.«
    »Ja, das macht es natürlich deutlich besser«, flüsterte er mit unüberhörbarer Ironie.
    Ich sah noch immer zu Boden. »Ich wusste nicht, dass das ihr Haus war, als ich heute Nacht dorthin gerufen wurde. Ich wusste nicht, in welchem Haus er wohnt. Und anfangs habe ich sie auch gar nicht wiedererkannt. Erst während der Untersuchung wurde mir klar, dass ich sie aus der Verhandlung kannte – hätte ich da alles abbrechen sollen? Auf die Idee bin ich einfach nicht gekommen.« Ich machte eine Pause. Ich log nicht gerne, wenn ich mich dadurch so schrecklich naiv darstellen musste. »Aber ich sehe natürlich ein, dass das ein Fehler war. Prinzipiell.«
    »Wenn Sie wirklich nicht mal auf die Idee gekommen sind, Krause, muss ich echt an Ihrem Verstand und an Ihren Reaktionen zweifeln.« Er stand auf. »Aber eigentlich ist das ja nichts Neues. So ganz geheuer waren Sie mir nie. Aber das jetzt …«. Er

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