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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Vollsmose fuhr. Dort angekommen, parkte ich vor einer kleinen, toten Hecke, in der zerdrückte Plastikkanister, Zigarettenpackungen und leere Eisteepackungen hingen.
    In Ingrid Sommers Wohnung im zweiten Stock des niedrigen Gebäudes, vor dem ich stand, brannte Licht. Ich ging über eine Rollstuhlrampe nach oben zur Haustür. Eine Gegensprechanlage gab es nicht, aber die Tür war auf, sodass ich direkt nach oben ging und an Ingrid Sommers Tür klingelte. Keine Reaktion. Ich klingelte noch einmal. Wieder gab es keine Antwort. Ich legte das Ohr an die Tür, aber von drinnen war kein Laut zu hören. Dann lehnte ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf die Klingel, bis mir klar wurde, dass die Tür nicht geöffnet werden würde, auch wenn ich die ganze Nacht klingelte. Ich suchte in meiner Tasche nach einem kleinen, quadratischen Block und schrieb sauber und deutlich: Lass es sein, mein Schatz. Ich kümmere mich darum. Vertrau mir. LASS ES SEIN! Den Zettel faltete ich zusammen und wollte ihn durch den Briefschlitz schieben, als ich zögerte. Dann nahm ich die Perlenohrringe meiner Großmutter ab und faltete das Papier um sie herum. Noch bevor ich nachdenken konnte, fielen sie in Ingrid Sommers Wohnung auf den Boden. Es war durchaus möglich, dass sie mit Emily überhaupt nichts zu tun hatte. Ohne die argentinische Discount-Pisse wäre ich sicher niemals auf eine solche Idee gekommen. Ich sah nach, wie spät es war: neun Uhr abends, und ich hatte gerade etwas Dummes getan.
    Ich fuhr nach Hause, um den anderen Argentinier und die Harddisk zu holen, mit denen ich dann zu den großen Kiesgruben im Norden der Stadt fuhr. Dort suchte ich mir einen Stein, der flach genug war, um die Harddisk daraufzulegen. Während ich den Rest des Weins trank, zerschmetterte ich mit einem zweiten Stein die Harddisk, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, wie oft ich darauf einschlagen musste. Ich heulte, soff und fluchte, bis das Ding in seine kleinsten Atome zerlegt war. Kurz nach zwölf Uhr fuhr ich wieder nach Hause, legte mich aufs Bett und schlief in meinen Kleidern ein. Etwa gegen eins wurde ich geweckt. Das Telefon klingelte, und als ich abnahm, meldete sich eine wohlbekannte Stimme: »Hier ist John P. von der Kriminaltechnik. Ich habe einen ungeklärten Todesfall und möchte Sie bitten, sich den mal anzuschauen, unten im Hunderupvej.«

31
    Trotz nur einer Stunde Schlaf, den Unmengen an Rotwein, einer langwierigen Tatortuntersuchung und einer weiteren Stunde Schlaf mit den übelsten Albträumen fühlte ich mich wach und klar.
    Im Sektionssaal lag die ermordete Frau in dem weißen, mit Reißverschluss verschlossenen Leichensack, der sich in der Mitte nach oben ausbeulte, was von meinem Platz aus sehr merkwürdig aussah. Ich riss meinen Blick los und konzentrierte mich stattdessen auf Micky, der die Nackenstütze montierte. Er zwinkerte mir zu. Ich schüttelte den Kopf. Dann nahm er die Knochensäge und den Schwamm und sah mich lächelnd an. Der kleine John blickte von dem Kamerasortiment auf, das er gerade aus der Tasche genommen hatte, und musterte uns beide verwirrt.
    »Was ist denn heute mit euch los?«
    Ja, was war heute mit uns los? Irgendetwas Vibrierendes, Zitterndes breitete sich in mir aus. War es die Erleichterung oder Enttäuschung, die ich verbergen musste. Aber wie konnte man verbergen, dass alles gut war, irgendwie aber auch nicht? Die Leiche war gut, der kleine John war gut, Micky war gut. Und Sidney störte überhaupt nicht. Ich konnte meine Augen nicht von der Beule des Leichensacks nehmen, unter der ich das Messer erahnte. Alles gut. Aber.
    »Krause?« Ich drehte mich um und sah Ruth in der Tür stehen. Was um alles in der Welt machte die denn hier?
    »Ein wichtiges Telefonat für Sie.«
    »Mein Gott, muss das jetzt sein, sagen Sie doch einfach, dass ich zurückrufe.«
    »Es ist eine junge Frau. Sie ist sehr hartnäckig und bestehtdarauf, mit Ihnen zu sprechen. Sie sagt, es sei lebenswichtig, dass sie sich von Ihnen verabschiedet.«
    Das Blut stockte in meinen Adern und die Zeit schien stehenzubleiben. Alles im Raum schien plötzlich innezuhalten, die Zeit, die Körper, die Gedanken. Ich starrte auf die Wachsmänner, die mich ohne jede Regung ansahen. Ruth war verschwunden, die Tür stand noch offen. Ich konnte mich nicht rühren.
    »Geh nur, Krause. Wir machen dann schon mal in aller Ruhe die Übersichtsfotos.«
    Die Stimme des kleinen John drang aus der Welt der Lebenden zu mir.
    »Das Messer fasst ihr aber nicht an«,

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