Blutfrost: Thriller (German Edition)
Schweinebacke und zwei Frischlinge? Na, dann viel Spaß!
Ich setzte mich hin und stierte auf meinen Bildschirm. Daniel glaubte jetzt sicher, dass ich am Boden war. Aber wenn ich zurückkam, war er noch immer im Knast, denn dass der Richter ihn schuldig sprechen würde, stand außer Frage. Ich rief mir sein Gesicht in Erinnerung, spürte förmlich seine Präsenz in meinem Büro, und es dauerte eine Weile, ehe ich realisierte, dass ich allein war. Ich schüttelte den Kopf und blies auf meine geballten Fäuste. Keine Gefahr. Er konnte mir nichts mehr anhaben. Er hatte seinen letzten Trumpf gespielt und versucht, mir meine Stelle zu nehmen, und jetzt hatte er nichts mehr in der Hand. Alles Weitere war also egal.
Zugegeben: Der Gedanke, die Arbeit zu verlieren, war erschreckend. Ohne meine Stelle würde ich zusammenklappen und zu einem Nichts werden. Dann wäre ich eine der Frauen, die sich in Zeitungen und alte Decken wickelten, auf Hinterhöfen und unter Treppen schliefen und die Kälte mit Alkohol bekämpften. Meine Arbeit war das Einzige, was mir einen Grund gab, jeden Morgen aufzustehen. Aber so weit würde es nicht kommen. Bonde Madsen würde mich nicht feuern. Er hatte mir ein Buch über mich selbst gegeben, weil Doktor Glas und ich auch ein Teil von ihm selbst waren; er dachte an mich, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, wenn er nachts nichtschlafen konnte, wenn er mit seiner Frau redete. Er brauchte mich. Und, um das mal klar zu sagen, wenn ich wollte, konnte ich ihn dazu bringen, alles nur Erdenkliche zu tun.
Ruth darum zu bitten, die Telefonnummer zu ermitteln, von der aus Emily angerufen hatte, war verdammt blöd gewesen, das wurde mir plötzlich klar. Ich stürzte aus dem Büro und rannte über den Flur zum Sekretariat. Ruth war am Telefon. Ich starrte sie an. Sie schüttelte den Kopf. Ich drehte um und lief auf dem Flur auf und ab, bis sie irgendwann in der Tür stand und mich fragend ansah.
»Haben Sie herausfinden können, von wo aus das Mädchen angerufen hat?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Eine Telefonzelle am Flughafen. Warum, wer war das denn?«
Jetzt schüttelte ich den Kopf. »Nur eine etwas anstrengende Nichte aus dem großen Ausland.«
Ich war auf dem Weg zurück zu meinem Büro, als Bonde Madsen mit dem Tatortkoffer aus seiner Tür gestürzt kam. Sein Gesicht war blass vor Müdigkeit.
»Tatortuntersuchung in Vollsmose. Langsam kann ich echt nicht mehr«, sagte er, als wir aneinander vorbeiliefen.
»Ich nehme Ihnen das gerne ab«, bot ich mich ironisch an, denn in Gedanken war ich bereits auf einem anderen Kontinent. Er blieb stehen und sagte: »Das ist gar keine gute Idee, die Tote ist Ingrid Sommer.«
Ich erstarrte und sah Bonde Madsen entgeistert an. Es war vererbbar, von der Mutter auf die Tochter, das war bekannt. Man gibt weiter, womit man aufwächst.
»Eva Sommers Mutter«, sagte er und lief weiter.
»Wie ist sie ermordet worden?«
»Ein Messerstich mitten in die Brust, aber warum zum Henker interessiert Sie das so?«
32
»Mitten in die Brust«, murmelte ich schockiert vor mich hin, als ich zurück in mein Büro ging. Damit trug ich die Mitschuld an zwei Morden. Ich hatte ihr gesagt, wie sie es machen musste. Und ich hatte gewusst, was sie vorgehabt hatte, und trotzdem meinen Mund gehalten und alles gebilligt.
Ich machte die Tür hinter mir zu, verriegelte sie und setzte mich, den Kopf auf die Hände gestützt, an meinen Schreibtisch. Manchmal überkommt mich ein geistiger Schwindel, der flüstert und warnt und murmelt, ich sei in die Irre gegangen. Ja, Doktor Glas, genau so war es.
Ich hatte es gebilligt, ihr geholfen, aber das war noch nicht alles: Der Mord an Eva Sommer war damit nicht mehr so einfach. Die Polizei musste nun an Daniels Schuld zweifeln. Eine Mutter und eine Tochter waren auf die gleiche Weise getötet worden, und der Mord an der Mutter hatte stattgefunden, als Daniel im Gefängnis saß. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht begannen, nach einer Verbindung zu suchen. Ich starrte an die Tür und versuchte, die Wirklichkeit weichzukochen und in derart kleine Teile zu zerlegen, dass ich sie verstand. Sie hatten keine Ahnung, dass Emily existierte. Soweit ich wusste. Noch nicht. Die Paranoia brodelte weiter in mir.
Es klopfte. Ich ging mit der Zigarette im Mund zur Tür. »Es geht gerade nicht«, rief ich.
»Ich brauche Ihre Unterschrift«, rief Ruth auf der anderen Seite.
»Ich komme gleich zu dir«, sagte ich und drückte die Zigarette aus. Als ich
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