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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Stimme auf der anderen Seite der Mauer. «Moment, mein Herr. Sie brauchen nicht weiterzugehen. Ich kann alles erklären.»

29
    Früh am nächsten Morgen zog Lina aus dem Beau Rivage aus, um sich etwas Diskreteres zu suchen. Als sie am Empfang stand und ihre Rechnung bezahlte, fiel ihr ein junger Mann in einem schnieken Leinenanzug auf, der in der Lobby saß und sie anstarrte. Er sah nicht wie ein Iraker aus, und deshalb beachtete sie ihn zunächst nicht sonderlich. Als sie zum Ausgang ging, um sich ein Taxi zu nehmen, kam der Mann auf sie zu und stellte sich vor. Er hatte lockige Haare und den drahtigen Körper eines Sportlers. Er schüttelte ihr aufdringlich die Hand, zu freundlich für einen Fremden um acht Uhr morgens. Erst als er den Namen eines gemeinsamen Bekannten erwähnte, war sie plötzlich aufmerksam.
    «Ich bin ein Freund von Sam Hoffman», sagte er. «Ich dachte, Sie brauchen vielleicht etwas Hilfe.»
    «Wobei?», fragte sie misstrauisch.
    «Wegen Hammud», sagte er. Er streckte die Hand aus, um ihr die Tragetasche abzunehmen, die den Laptop-Computer enthielt.
    Lina wich zurück, plötzlich misstrauisch. Sie wusste, Sam würde nicht irgendjemanden schicken, um sie zu beschützen.
    «Ich brauche keine Hilfe», sagte sie abwehrend, und rief dem Portier zu, ihr ein Taxi zu besorgen. Der Mann folgte ihr zum Ausgang, wo er ihr eine Visitenkarte gab. Er hieß Martin Hilton. Der Name kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht einordnen. Auf der Rückseite hatte er die Telefonnummer seines Hotels und die Worte «Seien Sie vorsichtig» geschrieben.
    Während sie das Taxi bestieg, sah sich Lina noch einmal um, ob ihr irgendjemand folgte. Die Straße war leer, bis auf ein paar Lastwagen, die morgendliche Lieferungen machten, und einen Jogger, der in Richtung des Seeparks trabte, der «Die Perle des Sees» hieß. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was die Leute im Film immer taten, um ihre Verfolger abzuschütteln. Cary Grant war einmal in ein großes Gebäude gegangen, war drinnen herumgelaufen und hatte es durch einen anderen Ausgang wieder verlassen. «Fahren Sie mich zu einem Kaufhaus», sagte sie zu dem Fahrer. Er setzte sie vor einem großen Gebäude in der Rue du Rhône ab, am Südufer des Genfer Sees. Sie betrat das Kaufhaus, ging eine Rolltreppe hoch, dann wieder eine hinunter, schaute in der Buchabteilung vorbei, kaufte sich ein französisches Wörterbuch und trat dann durch einen anderen Ausgang hinaus in eine Seitenstraße, in der sie ein anderes Taxi heranwinkte.
    Der Fahrer war ein korpulenter Schweizer. Sie bat ihn, ihr ein ruhiges, preiswertes Quartier zu empfehlen, wo sie wohnen könnte. Er fuhr sie zu einer kleinen Pension im südwestlichen Vorort der Stadt, in der Nähe des Güterbahnhofs. Es war ein schlichtes, freundliches Haus, mit zwei Gästezimmern, das von einer Schweizerin namens Madame Jaccard geführt wurde. Lina erklärte der Frau, dass sie eine Studentin aus London und zu Forschungsarbeiten nach Genf gekommen sei. Das Einzige, was sie brauche, sagte sie zu Madame Jaccard, sei eine direkte internationale Telefonleitung in ihrem Zimmer. Sie benutze für ihre Forschungsarbeit einen PC , erklärte sie, und es sei vielleicht nötig, per Telefon mit einem Großrechner woanders zu kommunizieren. Die anfallenden Gebühren würde sie selbstverständlich bezahlen, versprach sie. Die Schweizerin war einverstanden. Im Gästezimmer befand sich ein Telefon, und sie könne es benützen, wie sie wolle, solange sie ihre Rechnung bezahlte. Die Vorstellung, dass Computer per Telefon kommunizierten, schien sie völlig zu faszinieren. So etwas Kompliziertes, und dann noch eine Frau!
    Während Lina ihre wenigen Habseligkeiten auspackte, überlegte sie sich wieder, ob sie Sam anrufen sollte, um ihn nach dem geheimnisvollen Mr. Hilton zu fragen, entschied sich dann aber dagegen. In London anzurufen wäre riskant und, was viel wichtiger war, Zeitverschwendung.
    Lina wusste, dass sie sich beeilen musste. Irgendwann würde Pierre Marchand seinen Kollegen Zanetti in der EDV -Abteilung anrufen und ihn fragen, ob das Problem mit dem Computer geklärt sei. Zanetti würde antworten: «Was für ein Problem?», und Marchand würde merken, dass man ihn reingelegt hatte. In der anschließenden Panik würden sie umgehend Marchands Passwort ändern. Also musste sie schnell handeln. Sie schloss Helens Laptop an und las sich schnell in die Betriebsanleitung ein. Nach zwanzig Minuten fühlte sie sich sicher

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