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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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verzeichnet.»
    «Und Marchand? Könnten wir versuchen, ihn heute Abend zu Hause zu erreichen? Ich muss sobald wie möglich aktiv werden.»
    «Hören Sie, wir sind hier in der Schweiz. Man kann nicht einfach Leute mitten in der Nacht anrufen. Das macht man nicht.»
    «Unsinn! Man ist hinter mir her. Mein Leben ist in Gefahr. Haben Sie Kleingeld? Ich werde mir Marchands Nummer von der Auskunft besorgen und ihn anrufen.»
    «Um ihm was zu sagen?»
    «Das weiß ich noch nicht. Das überlege ich mir, wenn ich seine Nummer habe.»
    «Sie sind ja wahnsinnig», sagte Fred. Aber er lächelte. Er gab ihr fünf Schweizer Franken und zeigte ihr, wo die Telefonkabine war.
     
    Marchands Telefonnummer zu bekommen war nicht schwer. Er wohnte im Norden außerhalb der Stadt, an der Route de La-Capite. Als sie sich darauf vorbereitete, die Nummer zu wählen, überlegte sie, was sie sagen könnte. Vielleicht lag es am Wein, den sie getrunken hatte, oder an der befreienden Erfahrung, an einem fremden Ort zu sein, oder einfach an der Notwendigkeit, ein Risiko einzugehen, wenn sie überleben wollte. Aber Lina kam ein abwegiger Gedanke: Wenn es schon ihr Ziel war, in den OBS -Computer hineinzukommen, wieso nicht gleich das anpeilen, was sie haben wollte – nämlich Marchands Passwort –, anstatt nach Helens kompliziertem Plan zu operieren? Aber wie? Sie konnte einigermaßen sicher annehmen, dass Marchand, wie die meisten Chefs, nichts von Computern verstand, was die Sache erleichtern würde. Und es könnte auch hilfreich sein, dass es Nacht und er höchstwahrscheinlich zu Hause war. Und am allerhilfreichsten wäre es, wenn sie es schaffen könnte, irgendwie sein Verantwortungsgefühl anzusprechen, selbst wenn sie ihn gleichzeitig dazu brachte, etwas ungeheuer Verantwortungsloses zu tun. Nüchtern hätte sie dieses Rätsel niemals lösen können. Aber während sie den Hörer in der Hand hielt, dachte sich Lina einen Plan aus, der so absurd einfach war, dass er so spätabends, vor allem wenn Marchand auch ein Glas Wein getrunken hatte, tatsächlich funktionieren könnte. Und wenn er nicht funktionierte, nun, dann würde sie am nächsten Tag etwas anderes probieren.
    «Entschuldigen Sie, Monsieur Marchand», sagte sie in ihrem besten Schulfranzösisch, als er abnahm. «Hier ist Dominique, die neue stellvertretende Systemadministratorin der Bank. Es tut mir leid, Sie so spät zu stören, aber wir haben ein Problem, und man hat mir gesagt, ich soll Sie anrufen.»
    «Kenne ich Sie?», fragte Marchand. Er klang steif und förmlich, aber in seiner Stimme lag etwas Entferntes, als wäre er schläfrig oder vielleicht ein bisschen angeheitert.
    «Nein, Monsieur. Ich bin neu. Ich wurde vor einem Monat aus London versetzt. Ich arbeite im Computerraum. Ich bin heute Abend allein hier.»
    «Haben Sie Zanetti angerufen? Er ist dafür zuständig.»
    Linas Antwort kam, ohne zu zögern. «Ja, Monsieur, natürlich. Er hat mir gesagt, ich soll Sie anrufen.»
    Marchands Stimme entspannte sich sofort. Die Befehlskette war hergestellt. «Was für ein Problem gibt es, Dominique?»
    «Bedauerlicherweise ist das System abgestürzt, und wir haben einige unserer Dateien verloren.» Sachte, ermahnte sie sich. Nicht zu schnell.
    «Ist es was Ernstes? Muss ich vorbeikommen?»
    «Nein, nicht sehr ernst. Wir versuchen, die Dateien heute Nacht wiederherzustellen, damit das System morgen früh wieder einsatzbereit ist.»
    «Gut.» Er klang erleichtert. Er musste nicht vorbeikommen. «Was brauchen Sie von mir?»
    «Wir versuchen, zuerst die Passwörter zu rekonstruieren, und wir müssen wissen» –
sachte jetzt, sodass es sich logisch anhört
 –, «wie viel Buchstaben in Ihrem waren.»
    «Was hat Zanetti gesagt?»
    «Er hat gesagt, ich soll Sie anrufen.»
    «Ah! Aha. Also gut. Warten Sie, das waren – eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs – sechs Buchstaben. Haben Sie das gebraucht?»
    «Ja, Monsieur. Da ist noch eine Sache. Wir haben die letzten drei Buchstaben verschlüsselt, aber ich fürchte, das System hat die ersten drei verstümmelt. Das ist das Problem.»
    «Brauchen Sie sie?»
    «Ja, bitte.» Entspannt. Höflich. Vorsichtig.
    Marchand räusperte sich. «Ich kann Ihnen das Passwort nicht nennen, Dominique. Das wissen Sie.» Er dachte an Sicherheit, selbst spätnachts.
    «Ja, Monsieur. Natürlich. Das ist verboten.»
    «Also gut. Die ersten drei Buchstaben sind
s, e, c
. Hilft Ihnen das weiter?»
    «Ja, Monsieur. Bis morgen früh müsste alles wieder

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