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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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verdächtigen, eine Verschwörung gegen die Partei zu betreiben. Als sie nicht reden wollte, nahmen sie ihre drei Kinder in einem Hubschrauber mit, hoch über die Wüste, und warfen eins nach dem anderen hinaus, bis sie ihnen sagte, wo sich ihr Mann versteckte. Sie würde jetzt gerne sterben, aber sie lassen sie nicht.
    Und siehst du die da?» Sie deutete auf einen weiteren formlosen Haufen auf dem Boden. «Sie hatte sich in den Bergen hinter ihrem Dorf versteckt. Sie haben versucht, ihre Kinder dazu zu bringen, ihnen zu sagen, wo sie war, und als sie es nicht verraten wollten, haben sie die Kinder mit Benzin übergossen und angezündet. Zwei Jungs. Acht und sieben.»
    «Hören Sie auf», sagte Lina. Aber die ältere Frau redete weiter in ihrer gedämpften, sibyllinischen Stimme. Dies war ihre einzige Rache: die Wahrheit zu sagen.
    «Und die da. Ihr Mann war ein Anführer der Rebellen. Er musste zusehen, wie die Wärter des Herrschers sie und ihre drei Töchter vergewaltigten. Dann legten sie seinen Töchtern benzingetränkte Reifen um den Hals und befahlen ihm, sie anzuzünden. Als er sich weigerte, haben sie ihn erschossen, und dann zwangen sie seine Frau, es zu tun.
    Und die da, die bei der Tür schläft. Sie war schwanger, als sie verhaftet wurde. Sie bekam das Baby im Gefängnis, und als sie ihre Fragen nicht beantworten wollte, nahmen sie ihr das Kind aus den Armen und schlugen es gegen die Wand, bis es tot war. Die ist jetzt verrückt. Sie ruft immer nur nach ihrem Kind.»
    Lina weinte leise. «Bitte erzählen Sie mir nichts mehr», sagte sie. «Ich möchte nur noch sterben.»
    «Sterben», sagte die ältere Frau. «Ja, das wollen wir hier alle. Das sagen die Wärter.
Leima tekurfach, khatiya – Lass dich vom Tod aufkratzen, du armes Ding.
Aber nicht einmal der Tod ist eine Erlösung. Ihre Grausamkeit verfolgt dich selbst dann noch. Sie schicken dich in einem versiegelten Kasten nach Hause, sodass niemand deine gebrochenen Knochen und zerschlagene Haut sehen kann, sodass du nicht wie eine gute Muslimin für deine Beerdigung vorbereitet werden kannst. Da ist nur dieser versiegelte Kasten, auf dem das Wort
Feigling
oder
Verräter
draufsteht. Das ist alles, was du in die Ewigkeit mitnimmst. Sie sind die Schlimmsten, die Schlimmsten.»
    «Was soll ich tun?
Allah yestur?
»
    «Deine Würde bewahren. Lass dir von ihnen keine Angst machen. Sie wollen dir mit allem Angst machen. Den Geräuschen. Den Geräten. Der Art zu reden. Den Demütigungen. Alles, um dir Angst zu machen. Das ist ihre einzige wirkliche Waffe. Der Rest ist nichts. Wenn du deine Angst bezwingen kannst, sind sie die Verlierer.»
    «Was soll ich tun?»
    «Sei tapfer,
habibti
. Sei tapfer. Sei tapfer.»
     
    Am nächsten Morgen wurde Lina von einem Wärter geweckt, der sie aus dem Pulk von Frauen, die auf dem Boden lagen, hochriss. Sie wickelte das dreckige Laken um sich und wandte sich um, um der alten Frau, die mit ihr gesprochen hatte, auf Wiedersehen zu sagen. Aber der Wärter zerrte an ihrem Arm und gab ihr keine Gelegenheit, sich umzudrehen. Als sie ging, stimmten einige der älteren Frauen ein leises Weinen an. Eine Klage für die Dahingegangene.
    Lina wurde in einen kleinen Raum am Ende des Ganges geführt. Auf einem Tisch lagen das blaue Kostüm und die weiße Bluse, die sie zuvor getragen hatte. Sie waren gewaschen und gebügelt worden, und es gab auch frische Unterwäsche. Im Raum gab es ein kleines Waschbecken mit Seife und Handtüchern. Lina befürchtete zuerst, dass es ein Trick war. Sie wollten, dass sie für ihre Folter sauber und frisch gewaschen war. Sie widerstand dem Drang, solange sie konnte, aber nachdem sie eine halbe Stunde lang in ihrem zerfetzten Laken gekauert hatte, wusch sie sich und zog sich an. Als sie ihr feines französisches Kostüm und ihre neue Unterwäsche angezogen hatte, hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie an die Frauen dachte, die da in Lumpen in der Zelle lagen. Aber sie durfte nicht mehr daran denken. Sie dachte jetzt nur noch an sich.
     
    Kamal kam sie erst nach einigen Stunden holen. Er trug dieselben Bluejeans und Quastenschuhe wie am Vortag. Aber heute hatte er statt der Lederjacke einen doppelreihigen blauen Blazer an. Er rauchte eine Cohiba-Zigarre und wirkte sehr mit sich zufrieden, wie ein Dandy, der im Begriff war, sich ins Nachtleben zu stürzen. Er streckte den Arm aus, um ihr förmlich die Hand zu schütteln, als begrüße er sie in einem Club, bei dem sie jetzt offiziell Mitglied

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