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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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das Siegel dieses Prüfcodes sofort. Der Computer überprüfte regelmäßig die Richtigkeit seiner Prüfcodes, aber Nassir Hammud traute seinem Computer ebenso wenig wie seinen Angestellten. Und so hatte Lina die Aufgabe, eine Zweitüberprüfung vorzunehmen.
    Sie bemühte sich, bei dem Geldtransfer nicht näher hinzusehen. Einfach die Zahlen zusammenzählen, hatte Professor Sarkis gesagt, und sie versuchte, nur das und nicht mehr zu tun. Aber die Überweisungen kamen ihr sonderbar vor. Da wurden Geldbeträge zu Banken an den unwahrscheinlichsten Ecken der Welt überwiesen: die niederländischen Antillen, die Channel Islands, Liechtenstein, Panama. Es gab keine Hinweise, wofür diese Überweisungen bestimmt waren. Versuchte Coyote, Immobilien in Panama zu erwerben oder vielleicht eine holländische Reederei zu übernehmen? Oder waren diese Zahlungen bloß ein Täuschungsmanöver, um andere Transfers zu tarnen, die eigentlich in Singapur oder São Paulo stattfanden? Die Dateien gaben keinerlei Aufschluss darüber, und, wie Professor Sarkis immer betonte, es gab für Lina auch keinerlei Grund, etwas darüber zu erfahren. So tat sie also, was man ihr sagte, und versuchte zu vergessen, dass sie sich trotzdem Fragen stellte.
    Als es dann passierte, geschah es fast aus Versehen. Lina war gerade dabei, ihre Überprüfung abzuschließen und die Zahlen zusammenzuzählen, um sicherzugehen, dass sie mit der offiziellen Liste der Auszahlungen übereinstimmte, die jede Woche an die Buchhalter ausgegeben wurde. Als sie die beiden Endsummen verglich, stellte sie eine ungewöhnlich hohe Diskrepanz fest, insgesamt fast zwölf Millionen Dollar. Ihr einziger Gedanke in diesem Moment war, dass ihr ein Fehler unterlaufen sein musste, für den sie gerügt werden konnte. Sie ging noch einmal die Geldtransferbelege durch und stellte fest, dass in der letzten Woche ein entsprechender Betrag – 11 920 000 Dollar – von einer Tochtergesellschaft Coyotes auf das Konto eines Unternehmens in Panama namens Oscar Trading überwiesen worden war. Das Unternehmen war ihr nicht bekannt.
    Einfach die Zahlen zusammenzählen. Aber wenn sie nicht übereinstimmten? Wieder war es hauptsächlich die Angst, Schwierigkeiten zu bekommen, die sie veranlasste, die Datei über das Unternehmen in Panama zu suchen. Wer bearbeitete sie, fragte sie sich. Der irakische Buchhalter, der die Verbindlichkeiten verwaltete, war manchmal schludrig. Vielleicht war ihm ein Fehler unterlaufen. Sie schickte eine generelle Anfrage ans System.
    Es war ein derart normaler Buchprüfungsvorgang, dass sie kaum einen Gedanken daran verschwendete. Als aber dann die Datei auf dem Bildschirm erschien, blieb ihr die Luft weg. Das Verzeichnis sagte ihr: « HAMMUD ⁄ PER ». Sie hatte einen grauenhaften Fehler begangen. Die Unterlagen über das Unternehmen in Panama befanden sich in Mr. Hammuds persönlichem Bereich. Keiner außer ihm sollte Zugang zu ihnen haben. Sie hatte, wenn auch nur für einen Moment, die unsichtbare Mauer durchbrochen und flüchtig das Gesicht von Nassir Hammud erblickt. Schlimmer noch, sie hatte einen elektronischen Fußabdruck hinterlassen, den irgendjemand unweigerlich entdecken würde.
    Lina wurde schlecht. Sie schloss das Fenster mit dem Suchergebnis sofort wieder und beschäftigte sich mit anderen Buchprüfungsvorgängen, stellte aber nach zehn Minuten fest, dass sie sich nicht konzentrieren konnte. Sie wollte gerade auf die Toilette gehen, als das Telefon klingelte.
    Noch bevor sie abnahm, wusste sie, dass es Professor Sarkis war. Er wollte sie auf der Stelle in seinem Büro sprechen. Lina sagte, sie sei in fünf Minuten dort, aber er bestand darauf, dass sie sofort käme. Keine fünf Minuten. Sarkis Stimme war, sogar verglichen mit seinem sonstigen schroffen Ton, scharf und unangenehm. Während sie den Gang entlangging, spürte Lina, wie ihre Stirn feucht wurde, wie sich ihr die Kehle zusammenzog und die Beine schwach wurden.
    Professor Sarkis Büro war beklemmend eng und stickig. Sein Schreibtisch war übersät mit den Jahresberichten der Firmen, die Coyote Investment erworben hatte, erwerben wollte oder vor kurzem verkauft hatte – alle zu hohen wackligen Türmen aufgestapelt: eine Hotelkette in Asien, eine Wohnungsbaugesellschaft in Miami, ein Kreditkarten-Service-Unternehmen in Amman. Es war in aller Munde, dass Mr. Hammud ein Einkäufer war, und täglich flatterten neue Angebote auf seinen Tisch. Auf dem Schreibtisch stand ein PC , auf dem Bord

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