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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Ausdruck benutzend, der so viel wie «Melonenkopf» bedeutet. Wieder hämmerte er auf den Tisch. Die Papierberge gerieten bedrohlich ins Schwanken. «Sie sind eine Lügnerin!»
    «Ich kenne ihn nicht», wiederholte sie. «Ich bin ihm auf der Party zum ersten Mal begegnet.»
    «Lügnerin!» Er schien ihr das Wort fast entgegenzuspucken. Er sah sie so durchdringend an, dass man meinen konnte, seine Augen hätten Feuer gefangen. «Dieser Hoffman war es auch, der hier als Mr. White aufgetaucht ist. Wir haben sein Foto. Also hören Sie endlich auf zu lügen. Was plaudern Sie ihm denn so alles aus? Alle unsere Geheimnisse! Was?»
    Nach diesem letzten Angriff brach Linas ganze Verteidigung zusammen. Sie vergrub das Gesicht in den Händen und brach in Tränen aus. Sie fühlte sich völlig alleingelassen und verletzlich, fast wie nach einem körperlichen Angriff. Sie hatte sich von Hoffmans Charme und Neugier einnehmen lassen und war nun Professor Sarkis’ Wutausbruch schutzlos ausgeliefert. Die Tränen kamen tief aus ihrem Innern.
    «Eshek!»
, sagte Sarkis verächtlich. Das Wort bedeutete «Esel!» auf Armenisch. Er griff nach dem Aspiringlas, schüttelte ein halbes Dutzend in seine Hand und steckte sie sich hastig in den Mund. «Reißen Sie sich zusammen. Antworten Sie mir! Irgendwas müssen Sie schon wissen! Raus damit.» Er reichte ihr ein Papiertaschentuch – für Sarkis eine Geste ungeheurer Großzügigkeit. Lina putzte sich die Nase.
    «Es tut mir so leid, Professor Sarkis», sagte sie mit noch immer zittriger Stimme. «Aber ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe nicht gewusst, dass Hoffman dieser Mr. White war. Ich bin ihm auf der Party zum ersten Mal begegnet. Wir haben nicht über die Firma gesprochen. Er hat versucht, mich abzuschleppen, aber ich hab mich von ihm nur zu Hause absetzen lassen, weiter nichts.»
    «Achpar!»
, sagte er. Das Wort bedeutete «Bruder» auf Armenisch, aber auch das benutzte Sarkis als Schimpfwort. Er richtete den Finger wieder auf Lina. «Treffen Sie sich mit diesem Typ nochmal? Jetzt bloß keine Lügen mehr!»
    «Nein, Sir. Als er mich zu Hause abgesetzt hat, habe ich ihm gesagt, dass wir uns nicht mehr treffen können. Ehrlich.»
    Sarkis verdrehte bei dem Wort «ehrlich» die Augen. «Hat dieser Typ Ihnen irgendwas gegeben? Telefonnummer? Visitenkarte? Sonst was?»
    Lina sah ihn an und fühlte in ihrem Innern wieder das blanke Entsetzen. Aber das Zittern hatte aufgehört. «Nein», log sie. «Nichts.» Jetzt, wo sie sich verstellte, war ihre Stimme selbstbewusster als vorher, als sie die Wahrheit gesagt hatte. Die Handtasche baumelte neben ihr, wie eine Schlinge.
    «Nichts?» Professor Sarkis betrachtete prüfend ihr Gesicht, aber es war schwierig, irgendetwas daran abzulesen, weil sie geweint hatte und ihre Augen gerötet waren. Die Hauptsache war, dass er ihr Angst gemacht hatte, und das reichte. Er schenkte Lina ein abstoßendes, dünnlippiges Lächeln.
    «Und was sollen wir jetzt mit Ihnen machen, nachdem Sie sich mit diesem Ausländer herumgetrieben haben? Meinen Sie, Sie sind immer noch eine vertrauenswürdige Mitarbeiterin?»
    Lina nickte, antwortete aber nicht. In diesem Moment wusste sie nicht, wovor sie mehr Angst hatte – was sie mit ihr tun würden, wenn sie bei Coyote blieb, oder was sie tun würden, wenn sie versuchte zu gehen.
    Sarkis reichte ihr noch ein Papiertaschentuch und bedeutete ihr aufzustehen. «Das wär’s. Und jetzt Schluss mit der Rumheulerei. Wollen Sie sich für den Rest des Tages freinehmen? Dann können Sie das alles vielleicht vergessen. Und kein Wort zu den anderen, bitte! Ich rede mit Mr. Hammud, wenn er wieder in London ist, und sage ihm, es tue Ihnen sehr leid, diesen Fehler gemacht zu haben. Wir werden sehen, was passiert.»
    «Ja», murmelte sie. «Danke.»
    «Schon in Ordnung. Die Herumschnüffelei muss jetzt aufhören!» Er begleitete sie zur Tür. Als Lina zu ihrem Büro zurückging, um ihre Sachen zu holen, hörte sie Professor Sarkis seine Sekretärin anschreien.

8
    Sam Hoffmans erste Handlung an diesem Montagmorgen bestand darin, seinen Freund Asad Barakat anzurufen. Barakat war ein palästinensischer Bankier, aber diese Beschreibung wurde ihm nicht gerecht. Er unterhielt ein privates Netzwerk, das sich über den ganzen Nahen Osten erstreckte, und er wusste Dinge, die normale Banker nicht wussten. Hoffmans Vater hatte die beiden einige Jahre zuvor miteinander bekannt gemacht, und Sam vermutete, dass Barakat, wie so viele andere,

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