Blutgeld
die beiden Palästinenser zu. Abu Raad zielte auf Lina und drückte ab, aber sie lief geduckt, und der Schuss verfehlte sie. Als der Schuss losging, gingen die Fußgänger in Deckung, und bevor Abu Raad noch einmal schießen konnte, war Lina um die Ecke gebogen und verschwunden.
«Verfluchte Scheiße!», schrie Hassan. «Steig ein!», brüllte er Abu Raad zu. «Los.»
Der Palästinenser gab noch einen Schuss in die Luft ab und rannte dann mit Hassan zusammen zum Jaguar. «Soll ich ihr hinterherfahren?», fragte der Fahrer.
«Vergiss sie», schnaufte Hassan. «Sieh zu, dass du hier wegkommst.»
Sie wurden einige Minuten später bei einer Polizeisperre auf der Wandsworth Bridge Road angehalten. Die Schlagzeilen in der Spätausgabe des
Evening Standard
lauteten: PLO - KOMMANDO BEI TERROR - ÜBERFALL GESCHNAPPT . In dem Artikel stand nichts über Coyote Investment oder über Nassir Hammud. Aber angeblich suchte die Polizei eine dritte verdächtige Person, eine Araberin, die den Schützen geholfen hatte und zu Fuß geflohen war.
Lina nahm den erstbesten Bus auf der Wandsworth Bridge Road. Die Wunde an ihrem Po war nur oberflächlich und hatte schon wieder aufgehört zu bluten, aber sie zitterte wie Espenlaub. Sie schlug ständig gegen ihre Jackentasche, um sich zu vergewissern, dass die Ausdrucke noch da waren. Eine Frau, die in ihrer Nähe saß, wollte sie beruhigen, aber Lina sagte, es gehe ihr gut, wirklich, und die Frau ließ sie in Ruhe. Sie sah in ihrer Handtasche nach, ob ihre Brieftasche noch da war, und zählte ihr Geld. Es reichte für ein Taxi. Sie wollte erst mal duschen und sich umziehen und dann überlegen, wie sie am Leben bleiben könnte.
In Fulham stieg sie aus und winkte einem schwarzen Taxi. «Notting Hill Gate», sagte sie zu dem Fahrer. «Landsdowne Walk.» Aber als das Taxi von der Holland Park Avenue in Richtung ihrer Wohnung abbog, sah sie, dass direkt gegenüber ein Mann auf einem Motorrad hockte und wartete.
«Mist», sagte Lina und duckte sich tief in den Sitz.
«Wie bitte, Miss?», sagte der Fahrer.
«Fahren Sie weiter», sagte sie schnell. «Nicht anhalten.»
Er drehte sich um und beäugte sie misstrauisch, aber er behielt den Fuß auf dem Gaspedal. «Und wo soll’s dann hingehen?»
«North Audley Street», sagte Lina.
Der Fahrer fuhr wieder Richtung Osten die Bayswater Road hinunter und bog kurz hinter Marble Arch in Hoffmans Straße ein. Aber als sie sich dem Eingang seines Gebäudes näherten, sah Lina eine andere Gestalt, die in einem Lieferwagen saß und Hoffmans Tür bewachte. Der Fahrer fuhr langsamer, machte Anstalten anzuhalten. Lina duckte sich wieder und hielt sich die Hand vors Gesicht.
«Bitte weiterfahren. Nicht hier anhalten. Tut mir leid. Falsche Adresse.»
Der Fahrer warf ihr einen Blick zu, als sei sie geistesgestört. «Und wohin jetzt?»
«Irgendwohin», sagte sie. «Buckingham Palace. Ich will eine kleine Stadtrundfahrt machen.»
Er schüttelte den Kopf, befolgte aber ihre Anweisung. Es war Lina egal, dass er sie immer wieder im Rückspiegel beobachtete. Unter den Umständen war das beinahe beruhigend.
Einige Minuten später rief Lina von einer Telefonzelle im Birdcage Walk, kurz hinter dem Buckingham Palace, Hoffman an. Ihre Stimme war zittrig. Er fragte sie sofort, ob alles in Ordnung sei.
«Nein», sagte sie. «Überhaupt nicht. Zwei von Hammuds Leuten haben gerade versucht, mich umzubringen. Ich bin ihnen gerade eben noch entwischt. Aber ich habe die Beweise, über die wir gesprochen haben. Sieht ziemlich gut aus, wenn ich sie entschlüsseln kann.»
«Um Gottes willen! Wie sind Sie ihnen entkommen?»
«Ich bin gerannt. Ich renne immer noch.»
«Haben Sie die Polizei benachrichtigt?»
«Nein. Aber ich habe das Gefühl, dass sie vielleicht bald nach mir suchen wird. Einer von Hammuds Jungs hat einen Postboten angeschossen.»
«Wo sind Sie? Ich komme Sie sofort holen.»
Sie überlegte kurz. Sie brauchte ihn, und sie brauchte ihn nicht. Er könnte ihr helfen, und er könnte ihr schaden. «Vielleicht komm ich im Moment besser allein zurecht, Sam. Sie werden von denen überwacht. Wenn Sie versuchen, mich zu treffen, wird man ihnen folgen.»
«Wovon reden Sie?»
«Ich hab vor ein paar Minuten einen Mann in der Audley Street gesehen. Ich wollte eigentlich zu Ihnen, aber als ich diesen Mann auf Ihrer Türschwelle entdeckt habe, dachte ich, das ist vielleicht doch nicht so eine gute Idee.»
Hoffman sah aus dem Fenster und betrachtete den
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