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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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sich neue Möglichkeiten schaffen. Du brauchst ein Druckmittel.»
    Lina dachte über Helens Worte nach und erkannte, dass sie recht hatte. Die Alternativen, die sich ihr im Augenblick anboten, waren alle schlecht. Sie konnte nicht nach Hause, sie konnte sich nicht allzu lange bei Helen verstecken, und sie konnte sich nicht ergeben. Es gab kein Zurück aus diesem Tunnel. Ihre einzige Wahl war, tiefer hineinzugehen, in der Hoffnung, am anderen Ende einen Ausgang zu finden. Sie brauchte ein Druckmittel, wie Helen gesagt hatte. Vielleicht würden Hammuds Dateien ihr eins verschaffen, wenn sie sie erst mal verstanden hatte.
    «Übrigens», sagte Helen. «Gestern Abend war was im Netz über eine Frau in Not, das eine entfernte Ähnlichkeit mit deinem Dilemma hat. Willst du’s hören?»
    «Wird es mich aufmuntern?»
    «Da bin ich mir nicht so sicher. In einem Bondage-Forum. Der Link ist ‹alt.sex.bondage›, wenn’s dich interessiert.»
    «Nein, nicht besonders. ‹alt.sex.normal› haben sie wahrscheinlich nicht?»
    Lina lächelte. In Helens elektronische Phantasiewelt einzutauchen war wenigstens eine Art Flucht vor ihren eigenen Sorgen. «Und? Um was ging’s? Das, was Ähnlichkeit mit meinem Dilemma haben soll.»
    «Die Nachricht war von einer Frau, die sich Sandra nannte. Sie beschrieb eine Situation, in die sie mit einem Mann geraten war, den sie übers Netz kennengelernt hatte. Sie hatte ihn vorher überhaupt nicht gekannt. Sie hatten Nachrichten in einem Forum ausgetauscht, das ‹Sex Wizard› heißt.»
    «Was sind denn
wizards

    «Leute, die alles wissen. In diesem Fall geben sie Expertenratschläge über Sex. Sie behaupten, sie wüssten, wovon sie reden, aber ich habe das Gefühl, dass es einfach nur geile Studenten sind, die sich das aus Zeitschriften holen.»
    «Und was ist mit der Frau und dem
wizard
passiert?»
    «Er verschickte eine Nachricht über Sex und Vertrauen. Er hat gesagt, beim Sex gehe es eigentlich nur darum, sich in jemandes Arme zu begeben und ihm zu vertrauen, selbst wenn der andere dich verletzen könnte. Aus irgendeinem Grund gefiel Sandra das, und so hat sie sich mit diesem Typ verabredet.»
    «Was ist passiert?»
    «Sie haben sich in einem Park getroffen. Sie hat ihn überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Er trat von hinten an sie heran, und bevor sie irgendwas sagen konnte, verband er ihr die Augen und führte sie zu seinem Wagen. Dann fuhr er mit ihr zu einem Motel. Sie hat sich nicht gewehrt. Sie hat sich ihm völlig anvertraut. Sie dachte, das ist das, was sie wollte. Aber dann wurde es unheimlich.»
    «Wie unheimlich?»
    «Sehr unheimlich. Er wollte, dass sie eine Menge völlig widerlicher Dinge tat. Er war wie die beiden Typen vom Büro, die dich mit Honig einschmieren wollen.»
    «Was ist mit Sandra passiert?»
    «Zum Glück ist ihr nichts passiert. Sie hat geschrien und ist abgehauen. Der Typ war stinksauer. Er dachte, er mache genau das, was sie wollte. Jedenfalls hat sie eine Nachricht ans Forum geschickt – anonym natürlich –, hat beschrieben, was passiert ist, und andere Frauen gewarnt vor diesem speziellen
wizard
. Sie hat ihn in höllische Schwierigkeiten gebracht. Hat den Systemverwalter informiert, dass sich ein Perverser im Forum rumtreibt. Der Administrator hat den Namen an die Polizei weitergegeben. Der Typ ist elektronisch passé.»
    «Und was hat das alles mit mir zu tun?»
    «Nicht viel, jetzt, wo wir darüber reden. Aber das Wesentliche ist, dass die Frau in eine unangenehme Situation größeren Maßstabs verwickelt war und sie den Spieß umgedreht hat. Was du auch tun solltest.»
    «Richtig. Aber ich hab’s nicht mit Freizeit-Sadisten aus dem Internet zu tun, sondern mit Profis. Wie werde ich mit denen fertig?»
    «Ich arbeite an einem Plan. Aber zuerst brauche ich noch eine Tasse Tee. Und du brauchst Ruhe. Geh nach oben und nimm ein Bad. Schlaf ein bisschen. Ich weck dich in ein oder zwei Stunden.»
    Lina gehorchte. Im Moment war sie gern bereit, Helen ganz die Regelung ihres Lebens zu überlassen. Sie badete lange, schlief dann ein und wachte erst am nächsten Morgen gegen zehn wieder auf. Während ihr Gast schlief, ging Helen ins Internet. Sie postete eine Nachricht in einem Hacker-Forum und bat ihre Tüftlerkollegen um Erklärungen bezüglich der Sicherheitssysteme, die Banken bei der Abwicklung ihrer Geschäfte benutzen. Binnen weniger Stunden hatte sie mehrere Tausend Wörter elektronischer Ratschläge aus der ganzen Welt erhalten. Es war ein

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