Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
»Die alte traurige Geschichte, nichts, was Sie nicht schon häufig gehört haben.«
»Wie sind Sie beide in Nevada gelandet?«, fragte Milo.
»Reyn ist von zu Hause weggelaufen, als er fünfzehn war - besser gesagt, er ist weggegangen, und niemand hat sich darum gekümmert. Ich bin nicht sicher, was er zehn Jahre lang gemacht hat, ich weiß, er hat es bei den Marines versucht, endete im Bunker, unehrenhafte Entlassung. Ich bin nach Vegas gezogen, weil mein Dad starb und meine Mom gerne an den Münzautomaten spielte. Wenn man ein Einzelkind ist, fühlt man sich verantwortlich. Mein Mann stammt aus einer Familie mit fünf Kindern, ein großer Mormonenclan, eine völlig andere Welt.«
Milo nickte. »Zehn Jahre. Reyn tauchte auf, als er fünfundzwanzig war.«
»Vor der Eigentumswohnung meiner Mutter. Tätowiert und betrunken, und er hatte etwa fünfundzwanzig Kilo zugelegt. Sie wollte ihn nicht reinlassen. Er hat nicht mit ihr gestritten, aber er hing weiter vor ihrer Tür rum. Also rief Mom ihre Cop-Tochter an. Als ich ihn sah, war ich schockiert - Sie können es glauben oder nicht, er war früher ein gut aussehender Typ gewesen. Ich hab ihm etwas Geld gegeben, ihm ein Zimmer in einem Motel besorgt und ihm gesagt, er solle nüchtern werden und sich in eine andere Stadt verziehen. An die letzte Forderung hat er sich gehalten.«
»Reno.«
»Das nächste Mal hörte ich zwei Jahre später von ihm, als er Geld für eine Kaution brauchte. Ich kann Ihnen nicht sagen, wo er in der Zwischenzeit war.«
»Falsche Entscheidungen«, sagte ich.
»Er ist nie gewalttätig gewesen«, erklärte Marcia Peaty. »Nur einer von diesen Drehtür-Typen.«
»Seine Festnahme wegen Voyeurismus könnte man als beängstigend ansehen«, sagte Milo.
»Vielleicht rationalisiere ich, aber mir kam es eher wie ein Fall von öffentlichem Ärgernis wegen Trunkenheit vor. Er hat vorher nie so etwas getan und seitdem auch nicht - stimmt’s?«
»Die Leute haben gesagt, er hätte sie angestarrt. Es wäre beunruhigend gewesen.«
»Ja, er neigt - neigte dazu, einen geistig weggetretenen Eindruck zu machen«, erwiderte Marcia Peaty. »Wie ich schon sagte, er war kein Einstein, konnte keine dreistelligen Zahlen addieren. Ich weiß, es klingt so, als würde ich einem zwielichtigen Trottel einen Freibrief ausstellen, aber er hat es nicht verdient, von diesem Latino erschossen zu werden. Können Sie mir sagen, wie es dazu gekommen ist?«
Milo gab ihr das absolute Minimum an Informationen über den Mord, ließ sowohl die Flüsterstimme am Telefon als auch Vasquez’ Behauptung aus, er sei von Peaty bedroht worden.
»Eine dieser blöden Geschichten«, sagte sie und trank einen Schluck Martini. »Wird der Latino zahlen müssen?«
»Irgendetwas wird er kriegen.«
»Das heißt?«
»Die Verteidigung wird Ihren Cousin als Schläger hinstellen.«
»Reynold war ein alkoholgetränkter Versager, aber er hat noch nicht mal eine Ameise schikaniert.«
»Hatte er irgendeine Art Liebesleben?«
Marcia Peatys graubraune Augen verengten sich. Ein Radarfallen-Blick. »Was hat diese Frage zu bedeuten?«
»Der Bezirksstaatsanwalt will ein klares Bild davon haben, was für ein Mensch er war. Ich kann keine Anhaltspunkte für Sexualkontakte finden, nur eine Sammlung von Videos mit jungen Mädchen.«
Marcia Peatys Knöchel um ihr Glas wurden weiß. »Wie jung?«
»Gerade über dem gesetzlichen Limit.«
»Warum spielt das irgendeine Rolle?«
»Reynold hat als Hausmeister in einer Schauspielschule gearbeitet. Zwei der Schülerinnen sind ermordet worden.«
Marcia Peaty wurde blass. »Nein. Auf keinen Fall. Ich war lange genug bei der Sitte, um einen Sexualverbrecher zu erkennen, wenn ich einen sehe, und Reynold war keiner - und das sage ich nicht, weil er zu meiner Familie gehört. Glauben Sie mir, Sie suchen am besten woanders.«
»Apropos Familie, reden wir doch über Ihre anderen Verwandten.«
»Das meine ich ernst«, sagte sie. »Reyn war nicht so gestrickt.«
»Die anderen Verwandten«, sagte Milo.
»Welche?«
»Die Dowds. Sie waren neulich vor Noras Haus und haben einem Nachbarn erzählt, Sie wären ihre Cousine.«
Marcia Peaty schob ihr Glas zu ihrer linken Hand. Dann zurück zu ihrer rechten. Hob den Spieß, an dem die Zwiebel steckte, drehte ihn zwischen zwei Fingern, ließ ihn wieder ins Glas sinken. »Das war nicht die reine Wahrheit.«
»Gibt’s eine unreine?«, fragte Milo.
»Sie ist nicht meine Cousine. Brad ist mein Cousin.«
»Er ist ihr
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