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Blutgold

Blutgold

Titel: Blutgold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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meine Aufmerksamkeit der Leiche zu, die auf dem Waldboden lag, und mir
stockte kurz der Atem, obwohl ich darauf vorbereitet gewesen war, dass es sich
um Leon handelte.
    Die nassen Haare klebten ihm wirr im blassen, ein wenig aufgedunsenen
Gesicht. Seine Augen standen offen, waren aber trübe, und in seinem weit
geöffneten Mund steckten Blätter aus dem Fluss. Als ich am Hals und am Kinn
kleine schwarze Stellen sah, trat ich näher. Die Ärztin blickte von ihrer
Arbeit auf. Mit behandschuhten Händen hielt sie Leons Arm.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Inspektor Devlin«, erwiderte ich. »Was ist ihm zugestoßen?«
    »Ein Schuss«, stellte sie schonungslos fest und fuhr mit ihrer Arbeit
fort.
    »Schrotflinte?«, riet ich und deutete auf die schwarzen Stellen am
Hals.
    Sie nickte. »Die Hauptwunde befindet sich am Rücken. Das sind nur die
Randschrote.«
    »Todeszeitpunkt?«
    Sie verzog den Mund. »Schwer zu sagen. Das ist Aufgabe der
Rechtsmedizin.«
    »Grob geschätzt?«
    Verärgert sah sie zu mir hoch. »Grobe Schätzungen gebe ich
grundsätzlich nicht ab.«
    Ich hatte keine Gelegenheit, das Gespräch fortzusetzen, denn von hinten
packte mich jemand am Arm. Ich drehte mich um und erblickte Harry Patterson.
    »Was wollen Sie denn hier, Sie Idiot?«, fragte er.
    »Er hat gesagt, er sei Inspektor«, erklärte die Ärztin hinter mir
hilfsbereit.
    »Das bin ich auch«, sagte ich. »Und außerdem bin ich ein Freund der
Familie des Opfers.«
    »Sie sind suspendiert«, sagte Patterson. »Das ist das Einzige, was für
mich zählt. Wenn ich Sie an einem Tatort haben will, dann schicke ich Sie hin.
Ansonsten verpissen Sie sich – es sei denn, Sie wollen noch eine weitere Woche
freihaben.«
    »Sie sollten seinem Bruder lieber sagen, dass er tot ist. Er steht da
oben an der Absperrung und wartet.«
    »Er wird es früh genug erfahren«, entgegnete Patterson und ließ meinen
Arm los.
    »Haben Sie ein bisschen Mitleid, Harry, Herrgott«, sagte ich. »Er hat
seinen Bruder verloren.«
    »Sein Bruder hat bekommen, was er verdient hat. Er hat nichts als Ärger
gemacht, seit er hier ist. Ich sollte mich vermutlich nicht wundern, dass er
ein Freund von Ihnen ist.«
    Damit stolzierte er davon, doch mir fiel auf, dass er, nachdem er sich
ein Stück entfernt hatte, die Richtung änderte und auf die Absperrung und
Fearghal Bradley zusteuerte.
    Ich ging zu Gorman zurück.
    »Er ist es, oder?«, fragte sie.
    Ich nickte grimmig. »Was ist passiert?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich habe nicht alles mitbekommen. Ihm wurde
irgendwo flussaufwärts in den Rücken geschossen. Einer der Goldschürfer war am
Ufer, als die Leiche vorbeitrieb. Sie blieb an ein paar Ästen hängen, die am
anderen Ufer aufs Wasser rausragen, und zu zweit haben sie ihn rausgezogen.«
    »Irgendwelche Anhaltspunkte, wer ihn erschossen hat?«, fragte ich.
»Oder wo es passiert ist?«
    »Soweit ich gehört habe, nicht.«
    »Danke, Helen«, sagte ich.
    Sie nickte, zog die Mütze ein bisschen tiefer ins Gesicht und wandte
sich ab.
    Ich
stand an Fearghals Wagen und rauchte, während ich auf ihn wartete. Ich nahm an,
dass Patterson mit ihm an eine ruhigere Stelle gegangen war, um ihm die
Nachricht von Leons Tod beizubringen. Ein Stück links von mir saßen die
Aussteiger, bei denen ich Leon manchmal gesehen hatte, im Kreis vor ihren
Campingbussen, jeder mit einer Dose Bier. In der Mitte hatte jemand ein Feuer
gemacht, und schweigend sahen sie zu, wie der Rauch sich himmelwärts kräuselte.
Einige weinten und lehnten sich Trost suchend aneinander.
    Ich rauchte
zu Ende, sah mich um und schaute, ob keiner meiner Kollegen in der Nähe war,
dann ging ich auf die Gruppe zu. Einer oder zwei sahen hoch, als ich zu ihnen
kam, die übrigen starrten weiter in die Flammen, wie in Trance. Ihr
Mischlingshund hob den Kopf ein paar Zentimeter von den Vorderpfoten, bellte
mich träge an und legte den Kopf wieder hin, als sein Halter, ein älterer Mann
mit langen verfilzten grauen Haaren, ihm durch die Zähne zupfiff.
    »Danke«, sagte ich, und er nickte. »Das mit Leon tut mir leid«, fuhr
ich fort. »Ich habe ihn auch gekannt. Als er ein Kind war. Er war mit meinem
kleinen Bruder befreundet.«
    Der grauhaarige Mann nickte. »Das hat er uns erzählt«, sagte er, hob
die Dose an den Mund und trank sie leer.
    »Dürfte ich Sie kurz sprechen?«, fragte ich, denn ich wollte ihn nicht
in Gegenwart des schweigenden Kreises vor mir befragen.
    Der Mann zögerte kurz, als wollte er zeigen, dass er

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