Blutgold
mindestens einem Tag tot war. Die
Todesursache konnte ich mir denken: Am Hals hatte sie leuchtend rote und sich
bereits violett verfärbende Prellungen, und um die Kehle sah ich das
unverwechselbare Muster von Würgemalen.
Ich konnte nichts mehr für sie tun. Meinen Einbruch konnte ich
vielleicht damit rechtfertigen, dass Janet Moore noch am Leben hätte sein
können, doch mir war völlig klar, dass ich keine Legitimation für eine
Durchsuchung des Hauses hatte. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass sie
tot war, musste ich nun auf das Eintreffen des PSNI warten.
Dann fiel mir allerdings wieder ein, dass Karl Moores Motorrad vor dem
Haus lag, was bedeutete, dass er möglicherweise ebenfalls verletzt irgendwo im
Haus lag.
Die übrigen Räume im Erdgeschoss waren leer. Immer zwei Stufen auf
einmal nehmend, lief ich die Treppe hinauf und sah zunächst im ersten Stock
nach. Ich begann im vorderen Schlafzimmer. Das Doppelbett war nicht gemacht,
aber kalt. Der nächste Raum war ein kleines Arbeitszimmer, in dem Janet
gearbeitet haben musste. Auf dem Boden stapelten sich die Zeitungen
stellenweise dreißig Zentimeter hoch. Ihr Schreibtisch war mit Akten und Bändern
für Diktiergeräte übersät. Der dritte Raum sah nach einem kleinen Gästezimmer
aus. Er war sehr ordentlich, und auf einem der Kissen thronte ein kleiner
Teddybär.
Im Bad fand ich Karl Moore schließlich. Er lag auf dem Boden vor einem
offenen Arzneischrank. Um ihn herum lagen verschiedene Pillenfläschchen,
daneben eine leere Wodkaflasche. In der Pfütze aus Erbrochenem, in der sein
Kopf lag, erspähte ich die Überreste verschiedener Tabletten.
Als ich gerade nachsehen wollte, ob er noch lebte, hörte ich, dass
unten jemand das Haus betrat. »Polizei!«, rief ein Mann.
»Ich bin oben im Bad«, antwortete ich.
Ich drehte mich wieder zu Karl Moore um, und in diesem Moment seufzte
er – so leise, dass ich es mir auch hätte eingebildet haben können.
Unwillkürlich überlief mich ein Schauder.
»Hier oben lebt noch jemand!«, brüllte ich und fiel auf die Knie, um
seinen Puls zu fühlen. Zunächst konnte ich nichts feststellen, und so nahm ich
den Rasierspiegel von der Fensterbank und hielt ihn Moore vors Gesicht.
Tatsächlich, er beschlug ganz leicht.
Ich rief dem Polizisten, der gerade die Treppe heraufkam, zu, er solle
sich nach dem Krankenwagen erkundigen, den ich gerufen hatte, doch da hörte ich
in der Ferne schon das dringliche Heulen der sich nähernden Sirene.
Innerhalb
von zehn Minuten war Karl Moore mit einer Sauerstoffmaske auf dem Gesicht
unterwegs ins Altnagelvin Hospital in Derry. Janet Moores Leiche jedoch lag
noch da, wo ich sie gefunden hatte. Ein Mitarbeiter der Spurensicherung des PSNI ging langsam um sie herum und fotografierte sie.
Unterdessen war auch Jim Hendry eingetroffen. Er trug Jeans und ein weites Hemd
und zupfte an seinem Schnurrbart, während ich ihm erklärte, wie es kam, dass
ich an einem Sonntagvormittag um halb elf beim Haus der Moores gewesen war.
»Leon
Bradley wurde von Janet Moore kontaktiert und sollte sich am Abend vor seinem
Tod mit ihr treffen. Sie könnte die Letzte gewesen sein, die ihn noch lebend
gesehen hat. Ich wollte herausfinden, ob sie wusste, was er getan hatte oder
wohin er an dem Abend gefahren war«, sagte ich.
»Sind Sie nicht immer noch suspendiert?«, fragte Jim.
»Leon war der Bruder eines Freundes. Es ist ein Gefallen für ihn.«
Jim grunzte etwas Unverständliches. »Sollen wir für Sie nach irgendwas
Besonderem suchen?«
»Ihr Handy wäre hilfreich. Ich muss überprüfen, ob wirklich sie es war,
die ihm die SMS geschickt hat«, erklärte ich.
Hendry nickte, rief einen der Spusis und bat ihn, nach einem Handy
Ausschau zu halten. Kurz darauf kam der Mann zu uns in die Küche und reichte
uns ein pinkfarbenes Gerät.
Hendry zog Handschuhe an und beschäftigte sich mit dem Telefon, während
ich ihm über die Schulter sah. Er durchsuchte den Ordner mit den versendeten
Kurzmitteilungen und fragte mich, wann Bradley die Nachricht erhalten hatte.
»Nach acht Uhr am Freitagmorgen«, sagte ich.
»Dann wurde sie nicht von diesem Telefon verschickt«, sagte er.
»Lassen Sie mich mal sehen.« Ich streckte die Hand nach dem Telefon
aus, doch Hendry zog es fort.
»Das kann ich nicht«, erklärte er. »Ich sage Ihnen doch, hier ist keine
solche Nachricht.«
»Vielleicht hat sie sie gelöscht«, schlug ich vor.
»Warum hätte sie das tun sollen?«, fragte Hendry. »Hier sind jede
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