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Blutgrab

Blutgrab

Titel: Blutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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Den Rest erledigt die Pressemeute, jede Wette.« Ulbricht hatte keine Lust auf eine sinnlose Diskussion und beendete das Gespräch. Er spürte das Ziehen im Magen.
    »Hast du auch Hunger?«, fragte er Maja, während er den Motor startete und den Vectra langsam durch das Zooviertel rollen ließ.
    »Wie ein Bär«, lachte Maja und ließ sich von Ulbricht berichten, was er von Kegelmann erfahren hatte.
    »Was mich wundert«, sagte er ohne den Blick von der Straße zu nehmen, »ist aber der Umstand, dass Brabender angeblich nichts von dem Überfall auf seinen Laden mitbekommen hat.«
    »Was ist so ungewöhnlich daran?« Maja stutzte.
    »Die Anwaltskanzlei, in der er sich angeblich zum Zeitpunkt des Überfalls aufgehalten hat, liegt einen Steinwurf von seinem Geschäft entfernt. Es ist fast ausgeschlossen, dass er weder den Lärm in der Fußgängerzone noch die Martinshörner gehört haben soll. Spätestens, als der LKA-Hubschrauber über der City kreiste, hätte er stutzig werden müssen.«
    »Dann fragen wir diesen Anwalt. Und zwar vor dem Essen.«
    Ulbricht grinste zufrieden, während er an der Siegfriedstraße nach rechts auf die Friedrich-Ebert-Straße abbog. Der Opel rollte mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit am Bayer-Werksgelände vorbei. Immer wieder war das Gerüst der Schwebebahn im grauen Dunst zu erkennen. Die Strecke der Bahn führte an dieser Stelle genau durch das Chemiewerk. »Genau das wollte ich hören«, sagte er und lehnte sich im Fahrersitz zurück.

9
    Ulbricht hatte sichtlich Spaß an den alten Kinosesseln im Wartebereich der Anwaltskanzlei, hoch über den Dächern Elberfelds. Er klappte die mit rotem Samt bezogenen Sitze der Reihe nach herunter und nahm Platz. Mit einem verzückten Grinsen streckte er die Beine weit von sich. »Das waren noch Zeiten«, murmelte er und nickte der blutjungen Büroangestellten, die hinter einer Art Empfangstresen ihren Dienst versah, aufmunternd zu. »So viel Platz hatten wir damals nicht im Rex-Theater, aber gemütlich waren diese knarrenden Sitze schon immer.«
    Maja musste schmunzeln. Sie hatte sich vor einem der bodentiefen Fenster aufgebaut und ließ den Blick über die umliegenden Dächer der Wohn- und Geschäftshäuser schweifen. Der Regen hatte sich verzogen, auch die Wolkendecke über der Stadt war dünner geworden. Fast schon konnte man einen Hauch von Frühling erahnen.
    »Du schwelgst in Erinnerungen?«, fragte sie ohne sich zu ihm umzublicken.
    »Aber sicher.« Er nickte, stand auf und nahm auf dem benachbarten Sitz Platz. Die Scharniere quietschten laut. »Das ist noch Kultur, Maja. Hast du eine Ahnung, wie lange das Rex-Theater nun schon seine Pforten geschlossen hat?«
    Sie schüttelte den Kopf und drehte sich nun zu ihm um. »Ich weiß noch nicht mal, was das Rex ist oder besser war. Aber so verschlissen wie die Sitzbezüge sind, könnte ich mir vorstellen, dass diese alten Sitzmöbel mal ihr Dasein in der Schattenwelt eines Kinos gefristet haben.«
    »Eins zu null«, freute sich Ulbricht. »Das Rex war für mich früher das erste Kino am Platz. Lag übrigens gleich hier um die Ecke. Ich war mit Wiebke drin, an einem Sonntagvormittag. Kindervorstellung. Es gab ,Susi und Strolch', und ich erinner' mich noch ganz genau daran, dass sie am Filmende geheult hat wie ein Schlosshund. Und sie hat sich einen Hund gewünscht.«
    »Und nie bekommen?«
    »Natürlich nicht, Maja. Ich war Polizist, und…«
    »Rabenvater«, entgegnete Maja.
    »Wie bitte?« Er sprang aus seinem Kinosessel auf. Die Sitzflache schnappte mit einem knarrenden Geräusch hoch.
    »Rabenvater«, wiederholte Maja seelenruhig.
    Die Blondine am Tresen räusperte sich. Maja und Ulbricht unterbrachen ihre Unterhaltung und fuhren herum.
    »Doktor Körner erwartet Sie jetzt.« Sie lächelte unverbindlich, so, wie es Millionen Empfangsdamen auf der Welt taten, und deutete auf eine geschlossene Bürotür.
    »Danke.« Maja schenkte ihr ein ebenso unverbindliches Lächeln und setzte sich in Bewegung, um Ulbricht zu folgen, der bereits losgestapft war.
    Ohne anzuklopfen legte er eine Hand auf die Klinke und öffnete die Tür.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch, Ulbricht schätzte ihn auf Anfang fünfzig, fuhr in seinem luxuriösen Bürostuhl auf und zupfte sich den Knoten der Krawatte über dem blütenweißen Hemd zurecht. Er lächelte den Besuchern entgegen und deutete auf die beiden Besucherstühle.
    Ulbricht und Maja nahmen Platz. Durch das auf Kipp stehende Fenster drang der Verkehrslärm

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