Blutgrab
der Morianstraße in den fast quadratischen Raum hinauf. Im Rücken des Anwalts eine deckenhohe Regalwand mit juristischer Fachliteratur; zwischen Schreibtisch und Fensterbank ein Benjaminbaum.
»Was kann ich für Sie tun?« Rolf Körner beugte sich vor und faltete die feingliedrigen Hände auf der Schreibunterlage. »Wie mir meine Mitarbeiterin sagte, sind Sie von der Kriminalpolizei?«
»Das ist richtig«, nickte Ulbricht und schlug die Beine übereinander. »KK 11, wenn Ihnen das was sagt? Es geht um Mord und Totschlag, um Waffen und um alles, was brennt.«
Körner zog die Mundwinkel nach unten. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. »Was kann ich da für Sie tun?«, wiederholte er dann seine Frage.
»Sicherlich haben Sie schon mitbekommen, dass es heute Vormittag einen brutalen Raubüberfall in der Innenstadt gegeben hat?«, fragte Maja.
»Schreckliche Sache, allerdings.« Körner nickte mit betroffener Miene. »Der Inhaber, Herr Brabender, ist mein Klient. Zudem sind wir privat befreundet.«
»Und hier schließt sich der Kreis«, nickte Ulbricht zufrieden. Er liebte es, wenn seine Gesprächspartner mitdachten. »Deshalb sind wir hier.«
»Zum Zeitpunkt des Überfalls war Georg Brabender bei Ihnen, das gibt er zumindest an«, erklärte Maja.
Körner dachte kurz nach und nickte dann. »Um zehn Uhr hatten wir den Termin, das kann ich bestätigen. Gern kann ich Ihnen einen Ausdruck meines Terminkalenders mitgeben.« Er deutete auf seinen Computer.
»Das wird nicht notwendig sein, wenn Sie uns den Termin bestätigen«, entgegnete Maja.
»Er hat angegeben, sich juristischen Rat bei Ihnen geholt zu haben«, kam Ulbricht auf den Grund ihres Besuches zurück. »Worum ging es da?«
Körner zog die Augenbrauen hoch und hob abweisend die Heinde. »Bitte entschuldigen Sie, das unterliegt der Diskretion, zu der ich meinen Klienten gegenüber verpflichtet bin.«
»Darauf kann ich nur leider keine Rücksicht nehmen, solange die Täter frei herumlaufen«, murmelte Ulbricht. »Wie Sie vielleicht gehört haben, hat es einen Toten gegeben, und die Täter haben sich nach dem Raub den Fluchtweg brutal frei geschossen. Es grenzt an ein Wunder, dass es keine weiteren Opfer gegeben hat.« Er seufzte. »Also«, sagte er dann. »Warum war Brabender bei Ihnen?«
»Gestatten Sie mir eine grundsätzliche Frage?«
»Natürlich.«
»Ist mein Klient in diesem Fall tatverdächtig, oder ist er ein Opfer?«
»Um das herauszufinden, sind wir hier«, erwiderte Ulbricht unbeeindruckt. »Also - was wollte er von Ihnen?«
»Wissen Sie, was eines meiner Fachgebiete ist?« Rolf Körner beugte sich noch weiter zu seinen Besuchern herüber. »Ich bin Fachanwalt für Insolvenzrecht.«
»Und Familienrecht?« Maja stand auf. Von einer plötzlichen inneren Unruhe ergriffen, wanderte sie durch das Büro. Am Fenster blieb sie stehen, blickte hinab auf die viel befahrene Straße, bevor sie sich zu Körner umwandte. »Scheidungsrecht, beispielsweise?«
»Damit habe ich nichts zu tun, das übernehmen meine Partner.«
Maja nickte Ulbricht zu. Wie auf ein stilles Kommando erhob er sich. »Danke«, sagte Ulbricht. »Dann haben wir genug gehört.« Er warf dem Anwalt im Hinausgehen eine seiner zerknitterten Visitenkarten auf den Schreibtisch. »Rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfallt.«
*
»Was hältst du von ihm?«, fragte Maja, während Ulbricht den alten Vectra über die steile Rampe des Parkhauses hinunterlenkte.
»Er ist ein integerer Mann«, murmelte der alte Kommissar, ohne sich zu Maja umzublicken. »Ein Anwalt wie er hat einen Ruf zu verlieren und wird uns nicht anlügen.«
»So etwas behauptet Brabender auch«, erwiderte Maja und beobachtete Ulbricht amüsiert, wie er umständlich durch das geöffnete Seitenfenster den Parkschein in den Schlitz des Automaten fummelte. »Alle wollen den Schein wahren und nach außen seriös sein.«
Die Schranke hob sich; Ulbricht fuhr an. »Körner hat uns durch die Blume zu verstehen gegeben, was Brabender bei ihm wollte. Nicht die geplante Scheidung hat ihn zum Anwalt getrieben - der Mann ist Fachanwalt für Insolvenzrecht.«
»Du meinst, der feine Herr Juwelier ist pleite?«
»Ich will nichts ausschließen, aber eine andere Idee will mir momentan nicht in den Kopf kommen. Heinrichs soll sich mal drum kümmern.« Ulbricht lenkte den Opel an den Straßenrand und zog das Handy hervor. Es dauerte nur ein Freizeichen, bis er die hektische Stimme seines Assistenten hörte. Ulbricht
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