Blutgrab
Versicherung ersetzen lassen werden, ist ein junger Mann gestorben.« Ulbricht spie ihm die Worte ins Gesicht. »Er starb, weil er die Räuber, die Ihr Geschäft überfallen haben, an der Flucht hindern wollte. Eine junge Frau ist Witwe, bevor sie überhaupt verheiratet war. Sie hat mit ansehen müssen, wie ihr Mann elendig verreckt ist. Und da sagen Sie mir allen Ernstes, dass Sie nicht über den Grund Ihrer Abwesenheit während des Überfalls sprechen wollen? Ihre Mitarbeiterin befand sich zu dem Zeitpunkt allein im Laden - ist das versicherungstechnisch überhaupt tragbar, von Ihrer Verantwortungslosigkeit einmal abgesehen?«
Ulbricht atmete tief durch, schüttelte den Kopf, dann sank er wieder auf seinen Stuhl.
So aufgebracht hatte Maja ihn noch nie erlebt. Ihr Blick wechselte von Ulbricht zu Georg Brabender, der nun vornübergebeugt an seinem Schreibtisch saß und das erhitzte Gesicht in den Händen barg. Er seufzte, dann stand er schwerfällig auf und begann eine Wanderung durch das große Arbeitszimmer.
»Ich war bei einem befreundeten Anwalt«, sagte er, während er zu Boden blickte. Seine Stimme hatte jede Souveränität verloren. Er wirkte eingeschüchtert und kleinlaut.
»Was haben Sie dort getan?«
»Es war ein … privater Termin.« Brabender war am Fenster angelangt. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und blickte hinaus in den Garten, der sich wie eine graue Einöde hinter dem Haus ausbreitete. Von einem Hund war nichts zu sehen.
Die Tür flog auf, und Gisela Brabender schob den Kopf ins Zimmer.
»Ist alles in Ordnung hier?«, fragte sie zögerlich. Offenbar war ihr Ulbrichts Ausbruch nicht verborgen geblieben.
Der Juwelier riss sich vom Anblick aus dem Fenster los und machte auf dem Absatz kehrt. »Ja, es geht schon, danke.« Sein Lächeln wirkte aufgesetzt. Eine Maskerade, so wie alles an Georg Brabender. »Lass uns bitte einen Augenblick allein, Gila.«
»Wie du meinst.« Sie nickte, lächelte Maja und Ulbricht zu, dann zog sie sich zurück.
»Sie leidet unter den Folgen des damaligen Überfalls«, erklärte Brabender und blickte wieder aus dem Fenster. Ein Eichhörnchen huschte über die mit Laub bedeckte Wiese und erklomm eine alte Eiche.
Maja räusperte sich. »Herr Brabender, gestatten Sie mir eine Frage?«
»Schießen Sie los«, antwortete er, ohne sich umzuwenden.
»Wie steht es um Ihre Ehe?«
Nun wirbelte Brabender herum und funkelte Maja böse an. »Was hat das mit dem Raub zu tun?«
»Wir benötigen zur Aufklärung des Falles so viele Fakten wie möglich«, erklärte sie gelassen. »Dazu gehört Ihr geschäftliches, aber auch Ihr privates Umfeld.«
Der Juwelier nickte verstehend. »Wir werden uns scheiden lassen.«
»Ihre Frau ist krank, seit…«
»Dafür gibt es Facharzte, die sich weitaus besser um sie kümmern können als ich das je kann.«
»Sie ist jünger als Sie, nehme ich an?«
Nun blickte sich Georg Brabender um. »Das stimmt. Fünfzehn Jahre trennen uns; ich kenne Paare, bei denen der Altersunterschied weitaus größer ist.« Nun lächelte er feinsinnig. »Sie kommt aus einfachem Haus, ich habe sie als Studentin hier an der Uni Wuppertal kennengelernt. In den Semesterferien hat sie bei mir als Verkäuferin gearbeitet. Wir kamen uns näher, und nun sind wir verheiratet.«
»Und nun erklären Sie Ihre Ehe als gescheitert?«
Er nickte. »Allerdings. Gila kam mit anderen Erwartungen in mein Haus. Sie war es gewöhnt, arm zu sein. Die Eltern waren einfache Arbeiter, der Vater lange Zeit sogar arbeitslos. Sie lebten unter bescheidenen Verhältnissen am Rott in Barmen. Und dann sieht dieses junge hübsche Ding das Haus meiner Eltern, sitzt zum ersten Mal in meinem Mercedes, sie begleitet mich zum Tennisspielen, fährt dreimal im Jahr in den Urlaub.« Brabender schnalzte mit der Zunge. »Sie hat sich in ein goldenes Nest gesetzt.«
»Der Vergleich hinkt«, mischte sich Ulbricht nun ein. »Es ist wohl eher ein goldener Käfig.«
»Wie würden Sie das Verhältnis zu Ihren Angestellten bezeichnen?«, wechselte Maja das Thema.
Brabender wiegte den massigen Schädel. »Grundsätzlich gut. Wir respektieren uns. Seit Gila habe ich aber mit keiner meiner Angestellten ein Verhältnis angefangen, sollten Sie das meinen.«
Ulbricht schüttelte den Kopf. »Offensichtlich hing aber heute Morgen der Haussegen zwischen Ihnen und Frau Mertens ein wenig schief?«
»Hat sie das so gesagt?« Da lag ein seltsamer Unterton in seiner Stimme, den weder Ulbricht noch Maja
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