Blutgrab
Wuppertaler Kollegen ignorierte Maja, so gut es ging, als sie an Ulbrichts Seite dessen Büro betrat. Nach ihrem Besuch bei Roland Müncker in Remscheid hatte Ulbricht mit den Kollegen und Schaumert telefoniert, um die Lagebesprechung eine Stunde vorzuziehen. Er war nach der kurzen letzten Nacht und dem ereignisreichen Tag müde; außerdem hatte Schaumert ihm eröffnet, dass er heute den Hochzeitstag feiern wollte. Da niemand der. Kollegen Einwände gehabt hatte, trafen sie sich schon um siebzehn Uhr im Präsidium.
Vielleicht ein wenig zu forsch für den alten Ulbricht, denn natürlich hatten sie sich verspätet, und natürlich saßen schon alle am langen Tisch und warteten auf die Ankunft des Abteilungsleiters vom KK 11.
Sein Büro unterschied sich nicht wesentlich von Zigtausenden anderen in deutschen Behörden - so herrschte auch in Ulbrichts Arbeitszimmer die typische altbackene Sachlichkeit. Sogar der eingetrocknete Benjaminbaum neben dem Fenster machte keine Ausnahme. Ein Lächeln legte sich auf Majas Gesicht, als sie das Foto einer jungen Frau auf seinem Schreibtisch erkannte, die freundlich in die Kamera lächelte. Die langen, dunklen Haare trug sie offen. Maja schützte sie auf Anfang dreißig - ihre Gesichtszüge waren von einer natürlichen Schönheit gesegnet, sodass sie kaum Make-up aufgelegt hatte. Im Hintergrund war das Meer zu sehen.
Voller Stolz hatte Ulbricht Maja Bilder von seiner Tochter Wiebke gezeigt, die an der Nordsee lebte und dort als Kriminalkommissarin arbeitete.
Ulbricht rückte ihr einen Stuhl am Besprechungstisch zurecht. »Hier«, sagte er. »Setz dich.« Dann begab er sich zum Kopf des Tisches und räusperte sich. Er war kein Mann der großen Worte, und als typischer Einzelgänger waren ihm die täglichen Einsatzbesprechungen ein Graus; Maja wusste das.
Nachdem er die Kollegen und Mitarbeiter begrüßt hatte, setzte sich Ulbricht und lenkte die Sprache auf den Fall. Maja kannte ihn gut genug und verzieh ihm, dass er sie den Kollegen nicht vorgestellt hatte.
Das übernahm ein anderer für ihn. Der Mann, Maja schätzte ihn auf Anfang vierzig. Sein Anzug saß perfekt, die Brille war modisch und ein dezenter Duft von Aftershave umgab ihn. »Ich darf mich kurz vorstellen«, sprach er Maja direkt an. »Mein Name ist Wolfgang Schaumert, ich bin der Staatsanwalt.« Nun wandte er sich an Ulbricht. »Da mir die nette Dame in Ihrer Begleitung nicht bekannt ist, würde ich mich freuen, wenn Sie uns einander bekannt machen würden.«
Maja gefiel seine charmante Art.
Ulbricht errötete prompt. »Natürlich. Also, Kollegen, lieber Staatsanwalt: Das ist Maja Klausen, Kriminalhauptkommissarin beim Zentralen Kriminaldienst in Hameln.«
»Hameln?« Kegelmann pfiff durch die Lippen. »Das nenne ich mal Amtshilfe, Frau Kollegin.« Er zwinkerte ihr zu.
»Eigentlich bin ich aus privaten Gründen in der Stadt«, erwiderte Maja freundlich und sah im Augenwinkel, dass Heinrichs, der neben ihr hockte, kicherte wie ein alberner Schuljunge. Doch sie ließ sich nicht verunsichern. »Mit Hauptkommissar Ulbricht verbindet mich seit knapp drei Jahren eine Freundschaft. Vielleicht erinnern sich noch einige von Ihnen an die Kur, die er eigentlich im schönen Bad Pyrmont verbringen sollte?«
Am Tisch wurde andächtig und zustimmend genickt.
»Bei seinem Aufenthalt im Weserbergland war er in einen Mordfall verwickelt.«
»Ich habe einen Toten gefunden«, erklärte Ulbricht schnell. »Mehr nicht. Natürlich habe ich meine Kur direkt abgebrochen und bin in den Fall eingestiegen, um den Kollegen vor Ort zu helfen.«
Maja lächelte bei der Erinnerung an ihr Kennenlernen auf der Burg Polle bei Bodenwerder an der Weser. »Und Sie kennen Ihren Abteilungsleiter gut genug, um zu wissen, dass er keine Ruhe findet, bis ein Fall geklärt ist und der Verdächtige dem Richter vorgeführt werden kann.« Wieder wurde in der Runde genickt. »So war es auch damals, und ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass ich in besagtem Fall die Ermittlungen geleitet habe und eine aufopferungsvolle Unterstützung durch Hauptkommissar Ulbricht erfahren habe. Ja, und heute wollte ich zu einem Gegenbesuch starten und war kaum eine Viertelstunde in Wuppertal, als ich zur Zeugin des Raubüberfalls auf den Juwelier wurde.«
»Womit wir beim Thema wären«, klinkte sich Norbert Ulbricht in Majas Monolog ein. Das Thema war ihm augenscheinlich unangenehm, und sie wusste, dass er ungern über private Dinge sprach. Er legte großen Wert auf die
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