Blutgrab
wurde der Kofferraum geöffnet. Der Schein einer Taschenlampe blendete sie, und so erkannte sie ihren Peiniger nur in einem mächtigen, schwarzen Schemen.
»Bitte lassen Sie mich gehen«, kam es tonlos über ihre spröden Lippen. »Ich habe Ihnen nichts getan. Was ist mit meinem Hund - wo ist er?« Sie versuchte sich aufzurichten, um etwas von ihrer Umgebung zu erkennen. »Und wo sind wir? Was haben Sie mit mir vor?«
Ihr Gegenüber lachte rau. Ein Mann von muskulöser Statur.
»Viele Fragen auf einmal«, erwiderte er. »Zu viele Fragen. Dein Hund hat leider Pech gehabt. Ich durfte nichts riskieren - aber sei beruhigt: Er hat sich nicht quälen müssen. Zur zweiten Frage: Du musstest einfach mal raus aus deinem goldenen Käfig.« Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, in der sie Gelegenheit hatte, zu überlegen, woher sie die Stimme ihres Entführers kannte. Dann fuhr er fort: »Die dritte Frage kann ich dir leider nicht beantworten - es ist gut für uns alle, wenn du so wenig wie möglich weißt.« Nun ließ er die Lampe ein wenig sinken.
»Brodie ist tot?«, fragte sie fassungslos.
»Es ist besser so«, nickte er im Brustton der Überzeugung.
Sie hoffte, bald aus diesem schrecklichen Albtraum zu erwachen. Als sie in das Gesicht ihres Gegenübers blickte, glaubte sie tatsächlich zu träumen. Dieser Mann war kein Unbekannter für sie. Doch was er hier tat, konnte sie nicht fassen. »Du?«, fragte sie fassungslos. »Du bist es? Warum hast du mich entführt?«
Wuppertal-Barmen, Bundesallee, 20.45 Uhr
»Ich werde aus Brabender nicht schlau«, zischte Ulbricht, ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen. Er fuhr viel zu schnell, doch das war in diesem Fall zu vertreten, auch wenn er nicht mit Blaulicht unterwegs war. »Er ist steinreich, steckt aber in Schwierigkeiten. Sein Laden wird überfallen, als seine Verkäuferin alleine ist. Wir haben einen Immobilienmakler in Remscheid, der nicht gut auf ihn zu sprechen ist. Und nun wird Brabenders Frau entführt, von der er sich scheiden lassen will.«
»Du meinst, das Verschwinden von Gisela Brabender passt ihm gut in den Kram?«, fragte Maja und betrachtete die Gebäude, die an dem alten Vectra vorbeizurauschen schienen.
Ulbricht zuckte die Schultern. Seine Hände ruhten schwer auf dem Lenkradkranz. »Das weiß ich eben nicht. Man müsste in Erfahrung bringen, wie die Lebensversicherung seiner ungeliebten Frau aussieht.«
»Du denkst mir einen Schritt zu weit«, murmelte Maja.
»Ich weiß.« Nun warf er ihr ein flüchtiges Lachein zu. »Aber das verlangt dieser Fall auch von uns, fürchte ich. Wir rödeln wie blöde herum, und diese Typen sind uns immer eine Nasenlänge voraus.«
»Also glaubst du an einen Zusammenhang?«
»Denk nach Maja: Die zeitliche Abfolge der schlimmen Dinge kommt für Brabender etwas sehr geballt daher, findest du nicht? Vormittags wird sein Laden ausgeraubt, nachmittags stellt die Polizei ihm unbequeme Fragen; er plaudert über seine Ehe und die Frau, von der er sich scheiden lassen will, und abends wird genau diese Frau entführt, während sie mit dem Hund Gassi geht.« Er tippte sich gegen die Schläfe. »Da drängt sich ein Zusammenhang doch förmlich auf, oder?«
»Wir werden es herausfinden«, war Maja sicher. Ulbricht bog nach links von der Straße ab, die die Stadtteile Elberfeld und Barmen miteinander verband. Immer wieder sah Maja das lindgrüne Gerüst der Schwebebahn zwischen den Gebäuden aufblitzen. Wuppertal verfügte über eine eigenartige Architektur, die sie aus verschiedensten Stilen zusammensetzte. Sicherlich eine interessante Stadt, doch augenblicklich wagte sie zu bezweifeln, ob Norbert Ulbricht die Zeit fand, ihr sein Wuppertal zu zeigen.
»Gehen wir mal davon aus, dass diese Verbrechen heute nicht Zufall sind«, nahm Maja den Faden wieder auf, während sie sich die Schläfen massierte. »Wie willst du vorgehen? Wirst du Brabender direkt mit deinen Vorwürfen und Verdächtigungen konfrontieren, damit er weiß, woran er ist?«
Ulbricht blickte sie an wie eine Geistesgestörte und verursachte beim Abbiegen um ein Haar einen Unfall. Im letzten Moment riss er das Steuer herum und zerdrückte einen Fluch auf den Lippen. »Verdammt -nein, das wäre fatal.«
»Also, gibt es einen Plan?«
Zum zweiten Mal an diesem Tag erreichten sie das Zooviertel. Eine vornehme und ruhige Gegend; wer hier jemanden entführte, der tat das mit einem ausgeklügelten Plan und suchte sich kein Zufallsopfer.
»Ich werde das spontan
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