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Blutgrab

Blutgrab

Titel: Blutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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schmerzhaft an sein Alter erinnert.
    Wo war bloß diese verdammte Taschenlampe?
    Ulbricht kämpfte sich barfuß durch das finstere Wohnzimmer und jaulte auf, als er sich den großen Zeh an der Kante des Sessels stieß. Wütend hüpfte er durch den dunklen Raum und war froh, dass Maja von dem Lärm, den er veranstaltete, nicht aufgewacht war. Ulbricht registrierte eher unbewusst, dass der Lichtschein, der normalerweise durch das Fenster in seine Wohnung fiel, nicht vorhanden war.
    Der alte Kommissar trat verwundert ans Fenster und blickte auf die Straße hinab. Auch in den Hausern auf der gegenüberliegenden Straßenseite herrschte absolute Dunkelheit. Da er nicht wusste, wie spät es war, konnte die Finsternis nur zwei Gründe haben: Entweder war es sehr, sehr spät und alle in der Nachbarschaft lagen längst in den Betten - oder es hatte einen flächendeckenden Stromausfall gegeben.
    Als Ulbricht den Rest der Müdigkeit abschüttelte, entschied er sich für letztere Möglichkeit: Auch die Straßenlaternen waren erloschen. Dann war er machtlos. Er warf einen Blick in das Schlafzimmer und vermutete Maja unter dem Berg aus Federbettwäsche. Gut, sie schlief weiter. Beruhigt zog er sich wieder auf die Couch zurück. Er war sicher, dass ihm jede Stunde Schlaf helfen würde, den kommenden Tag zu überstehen.

16
    Als sie den Hardtberg hinauffuhren, wurden sie von Blaulicht und einer Straßensperre angehalten.
    »Was ist das für eine Scheiße?«, zischte Achim Fritz, der auf dem Beifahrersitz hockte und jetzt wütend auf das Armaturenbrett hieb. »Die haben unser Nest hochgenommen. Woher wissen die Bullen, dass …«
    »Halt endlich deine blöde Fresse«, unterbrach Michels ihn. »Da vorn stehen Feuerwehrwagen. Die Bullen sichern nur. Da muss etwas anderes passiert sein.« Er spürte, wie sich seine Kopfhaut zusammenzog. Sein Gefühl sagte ihm, dass etwas Schlimmes geschehen war. Doch davon durfte er den beiden Vollidioten nichts sagen, also zwang er sich zur Ruhe. Michels legte den Rückwärtsgang ein und zirkelte den schweren Mercedes die Einbahnstraße herab. Nachdem er eine freie Lücke gefunden hatte, stieg er aus. »Ihr bleibt hier!« Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte er den Berg hinauf. Das Dröhnen von Dieselaggregaten schallte durch die Nacht; es roch schwer nach Rauch und verbrannten Materialien. Panik ergriff Michels. Er beschleunigte seine Schritte und sah schon bald, dass die alte Klinik in Flammen stand.
    »Nein, nein, nein - verdammte Scheiße!« Sein Puls raste, und ihm war, als würde ihm jemand das Herz aus der Brust herausreißen. Ihm ging es um noch viel mehr als um ihr Versteck und die restliche Munition, die nun beim Teufel war.
    Er hatte sie in einen der unzähligen Kellerräume eingesperrt. Sie konnte sich nicht aus eigener Kraft befreien. Wenn ihr etwas zugestoßen war, dann war seine Mission sinnlos geworden. Dann würde er sich der Polizei stellen und die nächsten Jahre im Knast verbringen.
    Doch er wollte die Hoffnung nicht aufgeben und schnappte sich einen der herumstehenden Gaffer, einen alten Mann mit schlohweißem Haar.
    »Was ist da los?«, fragte er und packte ihn unsanft am Ärmel.
    Der Alte beschwerte sich, war aber dennoch froh, sein Wissen kundtun zu können. »Feuer im Marienheim - sehen Sie ja. Wahrscheinlich wieder diese Jugendlichen, die da immer reinklettern und Mist machen. Die haben bestimmt rumgekokelt. Wird höchste Zeit, dass man das Krankenhaus abreißt, bevor noch etwas geschieht.«
    »War noch… ich meine, gab es Menschen, die da drin sind?«
    »Jetzt nicht mehr. Als die Feuerwehr kam, waren die Halbstarken schon über alle Berge. Aber die Bullen werden sie finden, da bin ich ziemlich sicher.«
    »Eine Frau«, rief Michels heiser. »Wissen Sie zufällig, ob man eine Frau in der Ruine gefunden hat?«
    »Nein.« Der Alte blickte Michels mitleidig an. »Sagen Sie mal, haben Sie etwas getrunken?«
    Ohne ihm zu antworten, ließ Bernd Michels den Mann stehen. Er musste irgendwie in die Klinik gelangen. Er musste wissen, ob sie noch im Keller gefangen war oder ob man sie schon gefunden hatte. Ob man sie lebendig gefunden hatte.
    Die Ungewissheit trieb Michels an den Rand des Wahnsinns. Doch es war unmöglich, jetzt unbemerkt in die Ruine zu kommen. Er fürchtete, dass die nächsten Stunden eine Qual für ihn werden würden. Doch es galt, Ruhe zu bewahren. Niemand, auch nicht die anderen, durften etwas von dem wissen, was er getan hatte.
    Auf dem Rückweg zum Auto

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