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Blutheide

Blutheide

Titel: Blutheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.Hanke und C. Kröger
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verbittert in Selbstmitleid zerfließen, sondern ihren Weg weitergehen wie geplant. Damals hatte sie mitten im Studium gesteckt, Angewandte Kulturwissenschaften und Journalismus. Ben war sicher gewesen, dass sie eine große Karriere vor sich hatte und zielstrebig vorankommen würde. Und dann hatte sie – die starke Julie – eines Tages mit Tränen in den Augen vor seiner Tür gestanden und ihm mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Bene war zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Wochen verschwunden und niemand wusste, wo er sich aufhielt. Julie hatte nach dem kurzen Tränenausbruch ihre Kräfte wieder beisammengehabt und Ben eindeutig klargemacht, dass er der Einzige sein würde, dem sie dieses Geheimnis anvertraute. Sie wollte dieses Kind vom ersten Moment an unbedingt und sie wollte es allein schaffen. Um keinen Preis würde sie versuchen, Bene deswegen zu suchen oder gar zurückzuholen. Und sie wollte auch keine guten Ratschläge von den Großeltern, keine finanzielle Unterstützung, die nach Almosen aussehen würde – dafür war sie viel zu stolz. Nur ihm hatte sie vertraut, denn ganz ohne einen Menschen, mit dem sie sprechen konnte, ging es auch wieder nicht. Ben hatte damals oft auf sie eingeredet, es doch wenigstens seinen Eltern zu sagen, die sich mit Sicherheit gern um ein Enkelkind gekümmert hätten, auch wenn der unzuverlässige Sohn im Leben von Mutter und Baby keine Rolle mehr spielte. Doch Julie blieb bei ihrer Meinung. Sie streute das Gerücht, sich nach dem Verschwinden von Bene aus Frust schnell mit dem erstbesten One-Night-Stand getröstet zu haben, bei dem es dann zu einem ›Unfall‹ gekommen sei. Und fortan war sie die alleinerziehende Mutter, die einfach Pech gehabt, ihr Leben aber voll im Griff hatte. Mit diesem Ruf konnte sie bestens leben, besser als mit dem der verlassenen Schwangeren. So war eben Julie. Ben hatte sie im Prinzip verstanden, auch wenn es für ihn eine Last war, sowohl seine Eltern als auch seine damalige Frau über die Wahrheit im Unklaren lassen zu müssen und nicht offiziell als Onkel von Leonie auftreten zu können. Im Gegenzug hatte er Julie gebeten, ihn als Paten für Leonie einzusetzen. Er wollte ein Stück Verantwortung übernehmen, für die eigentlich sein Bruder zuständig gewesen wäre.
    Julie hatte ihr Studium noch weitergeführt, solange es ging. Nach der Geburt hatte sie es dann abgebrochen, weil es einfach nicht zu organisieren war. Ben hatte sie finanziell unterstützt, aber zum Einen nahm Julie nur das Minimalste an, und zum Zweiten musste er aufpassen, dass seine Frau keinen Verdacht schöpfte. Simone hatte Bene nie gemocht und hätte kein Verständnis dafür gehabt, dass Ben mal wieder für ihn in die Bresche sprang. So war Julie die ersten drei Jahre mehr schlecht als recht über die Runden gekommen. Als Leonie alt genug war, um in den Kindergarten zu gehen, hatte die junge Mutter in der größten Buchhandlung der Stadt, direkt am Rathausmarkt, eine Halbtagsstelle als Buchhändlerin angetreten, die ihr Spaß machte und bei der sie zumindest so viel Geld verdiente, dass die Existenz ihrer kleinen Familie gesichert war. Natürlich konnten sie keine großen Sprünge machen und sowas wie Urlaub war überhaupt nicht drin. Seit Leonie aber im letzten Sommer in die Schule gekommen war, arbeitete Juliane außerdem als freie Journalistin und schrieb Artikel für diverse Zeitungen und Zeitschriften. Durch das zusätzliche Geld konnte Juliane sich jetzt sogar die schöne kleine Wohnung in der Münzstraße leisten. Vorher hatten sie in dem alten Haus von Julianes verstorbener Großmutter gelebt, das zwar groß, doch noch nicht abbezahlt gewesen war. Die Raten für das Haus waren in etwa so hoch gewesen, wie die Miete für die jetzige Wohnung. Was jedoch bei dem alten Haus hinzugekommen war, waren die ewigen Instandhaltungsreparaturen, die Juliane sich nicht hatte leisten können. So tropfte es bei Regen durchs Dach und im Winter zog es erbärmlich. Leonie war oft krank gewesen. Obwohl Juliane an dem alten Haus gehangen hatte, hatte sie erkannt, dass es so nicht mehr weiterging. Und so kam eines zum anderen: Juliane arbeitete als freie Journalistin und verkaufte außerdem das Haus. Den Erlös aus dem Verkauf musste Juliane natürlich zum größten Teil an die Bank abtreten. Doch ein bisschen blieb übrig und das legte sie für Leonie an.
    Julie war in Bens Augen eine großartige Mutter und nach wie vor eine lebenslustige und starke Frau – er hatte vollstes Verständnis

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