Blutheide
mit der Paketabgabe beauftragt. Und anschließend kommt ihr beide in mein Büro.«
17.31 Uhr
Bene war froh, als sich eine kleine Gruppe von Hausgästen in der Bar einfand und er etwas zu tun bekam. Ablenkung war im Moment hilfreich, denn er konnte das merkwürdige Telefonat mit Katharina noch immer nicht einordnen. Klar, er hatte eigentlich auf ein nettes, kurzes privates Gespräch spekuliert, an dessen Ende im besten Fall ein neues Date gestanden hätte. Denn, so ungern er sich das auch nach wie vor eingestand: Er wollte sie wiedersehen. Er hatte nicht bedacht, dass er sie womöglich mitten im Dienst erreichen würde, darüber hatte er sich schlichtweg keine Gedanken gemacht. Aber sie war nicht nur förmlich gewesen, sondern hatte geradezu erschrocken und aufgeregt gewirkt. Diese Vorstellung konnte er mit der Katharina, die er kennengelernt hatte, noch nicht so ganz zusammenbringen. So richtig hatte er das aber eigentlich auch erst empfunden, als er ihr von der komischen Sache mit dem Schulranzen erzählt hatte. Nachdem Katharina das Gespräch abrupt beendet hatte, war bereits kurze Zeit später eine Streifenpolizistin in die Bar gekommen, um das Paket abzuholen. Auch von ihr hatte Bene aber nichts Genaueres erfahren können, denn sie hatte lediglich über Funk den Auftrag erhalten, bei ihm an der Bar ein Paket abzuholen und aufs Kommissariat zu bringen. Offenbar war dieser Ranzen also enorm wichtig. Aber was konnte das bedeuten?
Bene überlegte kurz, ob er seinen Bruder anrufen sollte, um sich zu erkundigen, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder. Irgendwie hatte er das Gefühl, er würde Katharina dann hintergehen. Außerdem hätte er Ben auch seinen Anruf bei Katharina erklären müssen. Dieser Gedanke führte sofort zum nächsten. Bene wurde klar, dass – wenn dieses Paket tatsächlich für eine aktuelle Ermittlung der Polizei wichtig war – auch Katharina Ben gegenüber in Erklärungsnotstand käme. Was für eine blöde Situation! Andererseits – wo war eigentlich das Problem? Schließlich konnte er treffen, wen er wollte. Sein Bruder konnte ihm da wohl kaum Vorschriften machen.
Bene versuchte in alter Manier, das Problem von sich zu weisen, merkte aber selbst, dass er damit diesmal nicht weit kommen würde. Der Draht zu seinem Zwilling war ohnehin noch mehr als schwach. Wollte er diese Beziehung, von der er gerade endgültig begriffen hatte, wie wichtig sie ihm war, erneut gefährden? Wegen einer Frauengeschichte? Bene, Bene, dachte er für sich, du schaffst es auch immer wieder, mit beiden Füßen genau in den Fettnapf zu stolpern. Warum musstest du ausgerechnet auf diese Frau treffen? Hätte es nicht irgendeine Verkäuferin, Kellnerin oder sonst wer aus Lüneburg sein können? Spontan kam die Erinnerung hoch. Die Erinnerung an Julie. Sie hatte damals gekellnert, so hatten sie sich kennengelernt. Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte Bene sich richtig verliebt. Julie mit ihrem frechen Mundwerk, die ohne Angst durchs Leben ging und sich von niemandem – nicht mal von ihm – die Butter vom Brot nehmen ließ. Sie hatte er nicht einfach um den Finger wickeln können, wie die meisten anderen Frauen, die seiner Charme-Offensive in der Regel sofort erlagen und dann hinterher enttäuscht zurückblieben. Julie war anders gewesen, sie hatte ihm die Stirn geboten, und das hatte ihm gefallen. Und trotzdem … trotzdem hatte er sie am Ende enttäuscht. Als er einfach sang- und klanglos aus Lüneburg verschwunden war, hatte er auch Julie ohne Erklärung zurückgelassen, obwohl sie bereits einige Jahre zusammen gewesen waren. Bis heute hatte er sich nicht ein einziges Mal bei ihr gemeldet, und sie gehörte zu den ganz wenigen, bei denen Bene sein schlechtes Verhalten ehrlich bereute. Er hatte Julie nicht verletzen wollen, sie war einfach, hm … Opfer seiner damaligen Lebensumstände geworden.
Mann, Bene! rief er sich gedanklich selbst zur Ordnung. Man kann sich auch alles schönreden. Er hatte Scheiße gebaut, und zwar gleich auf mehreren Baustellen. Und es war an der Zeit, die Schäden zu reparieren, wo es noch ging. Mit Ben hatte er den Anfang gemacht, und ganz sicher war sein Zwilling auch der wichtigste Mensch in seinem Leben. Aber er würde sich wohl oder übel auch anderen Menschen aus der Vergangenheit stellen müssen. Und Julie gehörte da an die oberste Stelle der Liste, obwohl er keinesfalls ihretwegen nach Lüneburg zurückgekehrt war. Julie war heute bloß noch eine Erinnerung an schöne
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