Blutheide
gesehen hat. Wenn es Ihnen lieber ist, kann ich Ihre Angestellten auch zu uns ins Kommissariat bestellen, genauso, wie ihre Gäste und …«
Weiter kam Ben nicht, denn nun schlug Gronau die Hände in theatralischer Geste vor dem Gesicht zusammen. »Die Gäste zu Ihnen bestellen? Ja, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen? Das wäre ja noch schlimmer, nicht auszudenken!
Ben wurde es jetzt zu bunt. »Wenn Sie mich mal ausreden lassen würden, Herr Gronau, wäre das nett. Noch ist das ja gar nicht passiert. Mein Team und ich haben uns bisher recht diskret verhalten, und solang Sie uns unsere Arbeit nicht erschweren, werden wir das auch weiterhin tun. Ich zum Beispiel warte hier lediglich noch auf Frau Helm, danach bin ich auch schon wieder weg.«
»Nun gut, meine Meinung scheint Sie ja ohnehin nicht wirklich zu interessieren«, schaltete Gronau nun zu allem Überfluss auch noch auf beleidigt. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Guten Tag!«
Gronau drehte sich auf dem Absatz um und verschwand in den Flur in Richtung der Zimmer.
»Mann, das brauch ich jetzt gerade echt nicht!«, schimpfte Ben leise vor sich hin. Was für ein anstrengender Typ! Und warum war er überhaupt so panisch? Ben hatte beobachtet, dass Gronau während des kurzen Gesprächs ins Schwitzen geraten war, so wie Ben es bei Verdächtigen während des Verhörs oft beobachtete. Allerdings in der Regel nur bei denen, die auch etwas zu verheimlichen hatten …
»Kommissar Rehder? Ich habe gehört, Sie wollen noch einmal mit mir sprechen?« Jana Helm stand urplötzlich neben ihm.
Ben betrachtete die junge Frau, die die Tüte eines bekannten Lüneburger Modehauses in der Hand hielt, kurz mit dem geschulten Blick eines Kommissars, dem auch bei einer vermeintlich oberflächlichen Musterung eine Menge ins Auge fällt. Bereits heute Nacht hatte er festgestellt, dass sie recht hübsch war, doch jetzt war sie zurecht gemacht. Sie war wirklich ein netter Anblick. Nett und unschuldig, fast noch ein Kind. Er war sich nicht sicher, ob er sie zu der Beziehung zu Tobi beglückwünschen oder sie eher bedauern sollte. Tobi war nicht gerade der klassische Frauenheld, aber auch kein Kind von Traurigkeit. Doch das war nicht seine Baustelle. »Hallo, Frau Helm, danke, ja, es stimmt – ich möchte kurz noch einmal mit Ihnen sprechen. Vielleicht können wir uns hier vorn in die Lobby setzen?«
11.27 Uhr
Nachdem Katharinas Suche im polizeiinternen Netzwerk nach den alten Fällen so überaus erfolgreich verlaufen war, hatte sie alles ausgedruckt und nochmals durchgelesen. Danach hatte sie sich die laufenden Akten zu den aktuellen Fällen geholt und präzise alle Parallelen der alten und neuen Fälle tabellarisch aufgelistet. Mit jedem geschriebenen Wort war ihr Atem dabei ein wenig schneller gegangen. Als sie endlich fertig war, war sie so aufgeregt wie ein Kind in der Nacht vor seinem Geburtstag. Das war es! Der Täter, nach dem sie suchten, hatte tatsächlich alte Fälle erneut inszeniert. Die Tathergänge stimmten komplett überein! Der Unterschied bestand nur darin, dass die alten Fälle von verschiedenen Tätern begangen worden waren, die alle relativ schnell gefasst worden waren. Auch hatte kein Täter damals Gedichte bei seinem Opfer hinterlassen, aber ansonsten …
Katharina war sich zwar nicht im Klaren darüber gewesen, nach welchem Schema der Serientäter die Originalfälle, wie Katharina sie für sich genannt hatte, ausgesucht hatte, war dann aber zu dem Ergebnis gekommen, dass dies im Moment zweitrangig war. Im Vordergrund stand jetzt, einen weiteren Mord zu verhindern. Den Mord an Laura. Denn dass der noch nicht vollzogen worden war, da war sich Katharina nahezu sicher. In den letzten 15 Jahren – der Zeit, in der auch die anderen Fälle stattgefunden hatten – hatte es nur eine einzige Kindesentführung in der Lüneburger Region gegeben. Damals hatte ein Mann die achtjährige Tochter seiner Ex-Frau aus deren zweiter Ehe entführt. Er hatte seine geschiedene Frau mit der Entführung erpressen wollen, zu ihm zurückzukehren, da er die Trennung nicht akzeptieren konnte. Die Polizei und auch die Frau nahmen die Erpressung zwar sehr ernst, konnten den Mann, der sich nur in Form von Paketen meldete, in denen Dinge des Mädchens und Briefe von ihm mit seinen Forderungen steckten, nicht aufspüren. Als sie ihn dann doch nach gut einer Woche endlich ausfindig machten und stellen konnten, war es zu spät. Das Kind wurde im dunklen Keller eines
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