Blutheide
abgelegenen Hauses gefunden. Es war verdurstet. Der damalige Täter hatte das Mädchen als Brut seines Widersachers, des neuen Mannes seiner Ex-Frau, so sehr gehasst, dass er es lediglich als Erpressungsmittel gesehen hatte. Nicht als unschuldigen Menschen. So hatte er das Mädchen noch nicht einmal notdürftig mit Wasser und Lebensmitteln versorgt. Dieser Mann saß heute in der geschlossenen Psychiatrie. Der Kommissar Carlo Tiedtke, der damals den Fall bearbeitet hatte, hatte kurz darauf seinen Dienst quittiert. Er gab sich die Schuld am Tod des Mädchens. Das entnahm Katharina einem kurzen Aktenvermerk. Dort stand außerdem die private Telefonnummer des ehemaligen Kommissars. Sie griff über ihren Schreibtisch zum Telefon und wählte die angegebene Nummer. Bereits nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine Frauenstimme. Katharina stellte sich vor und bat darum, mit Herrn Tiedtke sprechen zu dürfen. Nach einer kurzen Pause teilte ihr die Frau mit, dass ihr Mann vor einem halben Jahr verstorben war.
Als Katharina langsam wieder den Hörer auf die Gabel gelegt hatte, überlegte sie, andere an dem damaligen Fall beteiligte Kollegen ausfindig zu machen. Doch sie fand dazu in der Akte keinen weiteren Vermerk, und sich jetzt durchzufragen, würde einiges an Zeit in Anspruch nehmen. Mist. Irgendwie musste das doch schneller gehen! In Katharinas Kopf ratterte es. Ihr Blick fiel auf die alten ausgedruckten Artikel aus dem Zeitungsarchiv. Ja, genau das war es: Mit etwas Glück würde sich der Journalist, der damals die Berichterstattung über das entführte Mädchen gemacht hatte, erinnern! Katharina zog den Artikel heraus, unter dem nur ein Kürzel stand, das sie sich eilig auf einem Block notierte. Dann raffte sie die auf ihrem Schreibtisch verteilten Unterlagen zusammen, stand auf und verließ das Büro. Vorher gab sie noch in der Zentrale Bescheid, dass sie bald wieder da wäre aber bis dahin mobil zu erreichen sei.
Auf ihrem kurzen Fußmarsch zum Verlag dachte Katharina daran, dass sie eigentlich versprochen hatte, die Stellung im Büro zu halten, und am Profil weiterzuarbeiten und für einen Moment beschlich sie ein schlechtes Gewissen. Auf der anderen Seite würde sie sicher nicht lange wegbleiben und hatte ja auch in der Zentrale Bescheid gesagt. Katharina war aufgeregt: Sie spürte, ohne dass sie es sich recht erklären konnte, dass sie bald mehr erfahren würde. Hoffentlich noch rechtzeitig, um Laura zu retten.
11.43 Uhr
Ben betrat das Kommissariat und wunderte sich, dort niemanden anzutreffen. Tobi konnte möglicherweise noch bei der KTU oder in der Rechtsmedizin sein, aber Katharina hätte anwesend sein müssen. Er wollte gerade nachsehen, ob jemand auf seinem Schreibtisch eine Nachricht für ihn hinterlassen hatte, als Tobi in den Raum kam.
»Hi, Chef. Ich hab die Berichte für dich zu der Hotelleiche, die müssen im Labor letzte Nacht noch ordentlich geschuftet haben. Wahrscheinlich hat Friedl denen auch einen Besuch abgestattet … Tja, leider gibt’s aber in den Berichten keine großen Überraschungen, die Frau wurde mit dem Kissen erstickt. Eigentlich alles so, wie wir es uns schon gedacht haben, aber eben auch ohne irgendwelche Spuren. Außer vielleicht, dass die Kleidung der Frau mit Alkohol aus den Fläschchen der Mini Bar übergossen war. Es muss nach ihrem Tod gemacht worden sein, da auch auf dem Bett Alkohol war, nur eben nicht an der Stelle unter ihr, wo sie lag. Ich nehme an, es soll ebenso eine Botschaft sein, wie das Sperma bei Lara Jüssen. Paulina Petersen war nämlich Alkoholikerin, und Lara Jüssen, die hatte, wie wir wissen, ihre Männergeschichten. Inzwischen konnte auch ihr Ehemann befragt werden. Der hat am Anfang erst mal von der ach so perfekten Ehe gesprochen. Logisch, welcher Mann gibt schon gerne zu, dass seine Frau ihm ständig Hörner aufsetzt. Als ihm aber klar wurde, dass er sich damit möglicherweise selbst verdächtig macht und ohnehin die halbe Stadt von der Leichtlebigkeit seiner Frau wusste, hat er ihre Affären bestätigt. In wessen Betten sie im Einzelnen gelandet ist, will er allerdings tatsächlich nicht gewusst haben. Wahrscheinlich hat unser Täter da mehr Durchblick gehabt. Ben, der Typ, also unser Täter, der weiß, was er tut.« Tobi legte die Akten auf Bens Schreibtisch.
»Hast du eine Ahnung, wo Katharina steckt?«, fragte Ben, ohne auf die Informationen des jungen Kollegen einzugehen.
»Nein, warum – ist sie nicht hier? Ich denke, sie wollte die
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