Blutherz - Wallner, M: Blutherz
der Böschung. Heute trug er nicht das gewohnte Schwarz, sondern einen hellen Regenmantel, der ihm über die Knie reichte und den er trotz des angenehmen Wetters bis obenhin zugeknöpft hatte. Die Sonnenbrille wirkte überflüssig, aber nicht unnatürlich. Während sie auf ihn zuging, schlug Sams innere Anspannung in Erleichterung um. Taddeusz war also kein Geschöpf der Nacht, keine der Kreaturen, die sich tagsüber angeblich in Särgen vor der Sonne verbargen! Er war hergekommen, sie hatten ein ganz normales Date wie irgendein x-beliebiges Pärchen. Glücklich winkte sie ihm und lief näher. Taddeusz warf den Ast fort und breitete die Arme aus.
»Ist das nicht herrlich hier?« Sie fiel ihm um den Hals.
»Wenn man Grün mag, ist es ganz nett.« Er drehte sich mit ihr im Kreis. »Was wollen wir unternehmen?«
»Alles angucken! Die Pflanzen sind wahnsinnig selten, einige sind in der freien Natur schon ausgestorben.« Sie zappelte, um abgesetzt zu werden.
»In der freien Natur ausgestorben …«, wiederholte Teddie. »Das klingt spannend.« Er ließ sie zu Boden. »Fangen wir mit den Orchideen an?«
»Warum?«
»Weil sie, so wie ich, Nachtschattengewächse sind.« Er lächelte.
»Dann auf zu den Orchideen!« Als sie sein Gesicht genauer betrachtete, fiel ihr eine winzige Veränderung auf. Es war die Hautfarbe. »Hast du … bist du im Sonnenstudio gewesen?«
»Ach, Unsinn.« Er wandte sich ab und suchte den richtigen Weg.
Sie lief um ihn herum. »Heute Morgen siehst du aus wie ein …« Sie zögerte, das Wort auszusprechen. »Wie ein Latin Lover!«
»Das kommt nur, weil wir uns noch nie draußen getroffen haben.«
»Wenn du wüsstest, wie froh mich unser Spaziergang macht.« Sie musste zwei Schritte gehen, wenn er einen tat; dabei hüpfte und sprang Samantha wie ein kleines Mädchen.
»Freut mich, dass du so gute Laune hast.« Während er es sagte, kam unvermittelt die Sonne hervor. Taddeusz wandte den Kopf ab.
»Was hast du?«
»Nur das Licht.« Schon schob sich eine Wolke über das Gleißen. »Meine Augen sind ziemlich empfindlich.«
Sam verbat sich, schon wieder einen Verdacht zu hegen. Es musste endlich Schluss damit sein! Wenn es einen schlagenden Beweis gab, dass eine Person kein Vampir war, dann war es das Tageslicht. Teddie hatte die Prüfung bestanden. Er war ein normaler junger Mann, mit dem sie Hand in Hand ins Orchideenhaus ging.
Es lastete ein seltsames Aroma auf der Atmosphäre des halbrunden Glastempels, feuchte Schwüle herrschte hier, das Atmen wurde schwer. Eine merkwürdige Verwandlung ging mit Taddeusz vor sich. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, bemerkte Sam Begeisterung an ihm. Neugierig lief er zwischen den Pflanzen umher, sein Gesicht war freudig erregt.
»Ah, dieser Duft!«, rief er. »Spürst du die Intensität dieser
Gewächse? Andere Blumen können bloß blühen«, fuhr er auf Sams erstaunten Blick hin fort, »die Orchidee aber erglüht. Sie pulsiert und lockt, ihr Wesen ist verführerisch und zugleich von tödlicher Gefahr.« Er näherte sich einer Blüte, die fast schwarz war. » Orchis sangrealis «, flüsterte er, als spreche er mit der Blume selbst. »Leidenschaft bedeutet die Sehnsucht nach Auflösung, dem seligen Aufbäumen und Erlöschen. Wir wollen uns in der Liebe verlieren, um danach neu geboren zu werden.« Er beugte sich über den Blütenkelch und sog den Duft ein. »All diese Leidenschaft lauert wie ein Versprechen in der heiligen Blutorchidee.«
Während er sprach, fühlte Samantha das Unwohlsein wiederkommen, das sie am Morgen geplagt hatte; zugleich erregten sie seine dunklen Worte. Sie zog ihn zu sich und presste ihre Lippen auf seine. Bei ihrem Kuss stieß sie auf ein Hindernis. Das war keine kleine Missbildung des Gebisses, wie sie beim ersten Mal angenommen hatte, das waren Zähne, scharf wie Dolche. Solche Zähne konnten als Waffe dienen. Doch der seltsam verwesende Duft der Orchideen, die Schwüle und Teddies Nähe benebelten Samanthas Denken. Sie, die ausgezogen war, die Wahrheit ans Licht zu bringen, hatte nur noch den Wunsch, mit ihm zwischen den Orchideen niederzusinken. Er wehrte ihre Liebkosung ab; als sie nicht damit aufhörte, biss er sie kurz in die Zunge. Sam fühlte den spitzen Schmerz, nicht heftig, aber eigentümlich, es tat weh und war zugleich die Fortsetzung des Kusses. Sie wollte mehr und noch mehr von solchen Bissen und Schmerzen.
Teddie stieß sie zurück. »Hör auf«, zischte er. »Überall sind Leute.«
»Es sind die
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