Blutherz - Wallner, M: Blutherz
Tausende Schotten, von denen man das Gleiche behaupten kann.«
»Stimmt. Es muss noch einen anderen Grund geben, warum Lockool dich ausspioniert hat.« Er überlegte. »Was macht deine Familie?«
Sam berichtete von ihren Eltern, von John und seiner Kirchengemeinde und ihrer kränklichen Mutter Louise.
»Das hört sich recht alltäglich an.« Richard beobachtete die Kellnerin, die zwei Tassen heiße Schokolade auf ihr Tablett stellte. »Ich dachte, du stammst vielleicht von einem alten schottischen Clan ab.«
In ihrer Nervosität lachte Samantha. »Wir sind eine stinknormale Familie. Wieso sollten wir adelig sein?«
»Weil es eine uralte Verbindung gibt zwischen den Nachfahren der schottischen Pikten und dem früheren Dakischen Reich.«
»Dakisches Reich – wo soll das liegen?«
Trotz der dunklen Brille bemerkte Sam, dass seine Augen sie fixierten. »Das heutige Transsylvanien.«
»Moment.« Nun wurde es ihr zu bunt. »Willst du behaupten, die Schotten hätten was mit den Leuten aus Transsylvanien … oder sogar mit Vampiren gemeinsam?« Sam ließ sich nicht für dumm verkaufen; sie wusste über den Vampirkult Bescheid. »Glaubt man der Sage, war der erste Vampir Vlad der Dritte Tzepesz. Der wurde im Jahr 1448 Herrscher von Transsylvanien, also über tausend Jahre, nachdem der Hadrianswall gebaut worden ist!«
»Stimmt. Aber Drakula, der Fürst des Drachenordens, war leider nicht der erste Vampir.«
»Nein?«
»Oh nein. Unsere Rasse ist viel älter. Sie reicht zurück bis in die Zeit eures Erlösers.«
Ein Moment herrschte Stille, dann räusperte sich Samantha. »Das war vor mehr als zweitausend Jahren …«
Er nickte. »Es hat alles mit Blut zu tun, Samantha. Einfach alles. Warum ist das Blut Christi so wichtig für eure Religion? Warum trinken eure Priester symbolisch das Blut des Herrn bei jeder Messe? Weil es das Blut ist, das uns bindet. Das Blut entscheidet, wer wir sind und wohin wir gehören.«
Sie richtete sich auf. »Das ist Humbug. Wo soll der Zusammenhang sein? Du sagst, die Römer bauten den Hadrianswall. Und die Römer kreuzigten Christus. Behauptest du jetzt etwa, die Vampire trinken Blut, so wie es die christlichen Priester tun?«
»Nein.« Er bedeutete ihr, leise zu sein, an anderen Tischen
drehten sich bereits Leute um. »Aber überleg doch mal: Mit welchen Mitteln kann man einen Vampir in die Flucht schlagen, ja sogar töten?«
»Man hält ihm ein Kruzifix hin, man muss ihn mit Weihwasser besprengen oder mit geweihten Silberkugeln auf ihn schieß…« Sie unterbrach sich, da sie begriff, was sie gerade sagte.
»Siehst du. Es hat alles miteinander zu tun. Und es hat alles zur gleichen Zeit begonnen.«
»Zweimal heiße Schokolade.« Die Kellnerin stellte die Tassen ab. Dabei musterte sie den vermummten Gast. »Ist was mit seinem Gesicht?«, fragte sie.
»Was geht Sie das an?« Sam war so aufgebracht, dass ihr keine höfliche Antwort einfiel.
Die Kellnerin starrte Richards Schleier an und rührte sich nicht vom Fleck. »Hat das was mit seiner Religion zu tun oder so?«
»Er ist ein Vampir. So, jetzt wissen Sie’s«, gab Samantha zurück. »Und jetzt lassen Sie uns bitte in Frieden.«
»Man wird ja noch fragen dürfen.« Kopfschüttelnd zog die Kellnerin ab.
»Danke«, seufzte Richard erleichtert. »Mir war klar, dass du Haare auf den Zähnen hast.«
»Was soll das nun wieder heißen?« Sam blies in das dampfende Getränk.
»Weil sie nur jemand sehr Starkes aussuchen konnten, um ihr Ziel zu erreichen. Jemand Schwächeres würde diese Tortur nicht durchstehen.«
»Welche Tortur stehe ich denn durch?« Der erste heiße Schluck tat gut. Samantha war jetzt in einem Zustand, in dem sie nichts mehr schockieren konnte.
»Bevor ich das beantworte, möchte ich noch eines wissen:
Ein paar Tage nachdem du Taddeusz kennenlerntest, warst du bei unserem Dinner.«
Sie nickte.
»Was ist dabei passiert?«
»Nichts. Teddie hat mir das Haus gezeigt. Er benahm sich wie ein vollendeter Gentleman. Nicht mal küssen wollte er mich.«
»Natürlich nicht.« Richard lachte. »Die Versuchung, dich zu beißen, wäre zu groß gewesen. Was passierte danach?«
»Nichts. Ich habe tagelang auf eine Nachricht von ihm gewartet.«
Er legte den Kopf schief. »Ach, und ist das normal zwischen Jungverliebten?«
»Taddeusz ist ein vielbeschäftigter Mann.« Sie wischte Kakao von der Oberlippe. »Ich habe mir nichts dabei gedacht.«
»Wie viel Zeit ist vergangen?«
»Vier Tage.«
»Und bei der nächsten
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