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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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»Heute ist alles anders. Wir leben im 21. Jahrhundert. Heutzutage müssen wir nicht mehr zu Mördern werden, wenn wir uns ernähren wollen. Es gibt andere Methoden.«
    »Zum Beispiel?«
    »Die moderne Medizin ist wunderbar. Menschen, die unwiderruflich tot sind, können praktisch unbegrenzt am Leben
erhalten werden, solange ein Rest ihrer Gehirnströme noch funktioniert.«
    »Du meinst Komapatienten? An diesen bedauernswerten Geschöpfen vergreift ihr euch?«
    »Sie merken doch nichts mehr davon! Erstklassig geeignet sind auch Unfallopfer, die auf dem Transport ins Krankenhaus sterben. Ein paar Minuten lang ist ihr Blut noch warm und frisch.« Er kratzte sich an der Stirn. »Natürlich bedeutete diese Vorgangsweise, dass wir unsere Aktivitäten auf einen Berufszweig verlegen mussten, bei dem der Tod zum Geschäft gehört.«
    »Auf den Krankentransport?«
    »Genau.« Er lächelte. »Du siehst, wir Kóranyis gehen einem hochanständigen Gewerbe nach.«
    »Aber … aber …« So viel lag ihr auf den Lippen, sie wusste nicht, wo beginnen. »Ihr zapft das Blut verstorbener Menschen ab?«
    »Wem schadet das? Steht das Herz einmal still, so stockt der Kreislauf, die Leichenstarre setzt ein und kurz darauf der Fäulnisprozess. Von da an ist ein Mensch nicht wertvoller als ein Schnitzel, das du an der Sonne liegen lässt. Bald kriechen Maden darauf herum. Wie sagte der gute alte Shakespeare? Ich habe ihn übrigens noch kennengelernt: Der große Cäsar, tot und Lehm geworden / Verstopft ein Loch wohl vor dem rauhen Norden .« Er lachte. »So geht es allen, Samantha, allen! Außer natürlich, man ist einer von uns.«
    »Ein Mensch ist wertvoller als ein Schnitzel! Er hat Würde, seine Seele kehrt heim zu Gott! Man darf seine Überreste nicht schänden!«
    »Ach, wenn du bloß über dein religiöses Elternhaus hinausblicken könntest«, antwortete er kopfschüttelnd. »Milliarden und Abermilliarden Menschen sind auf diesem Planeten bereits
gestorben. Was geschah mit ihnen? Sie wurden dem ewigen Kreislauf des Stirb und Werde einverleibt. Ein Samen wird fruchtbar, ein Geschöpf entsteht, Pflanze, Tier oder Mensch. Er, sie oder es leben ihr Leben in seinen festgesetzten Grenzen. Dann stirbt das Wesen, es verwest, es wird zu Erde, aus der der nächste Samen emporsprießt. Das sind Gesetzmäßigkeiten, alles andere ist bloße Erfindung, die der Mensch benötigt, um seinem Dasein einen Sinn zu geben.«
    »Du glaubst, Gott ist eine Erfindung?«
    »Natürlich ist er das«, antwortete Taddeusz ungerührt.
    »Und warum habt ihr dann solche Angst vor ihm?!« Sie schrie es ihm beinahe entgegen. »Wieso weicht ihr zurück, wenn ein Kruzifix vor euch auftaucht, warum können Gegenstände, die im Namen Gottes geweiht wurden, euren Tod bedeuten?«
    Seine Zunge spielte einen Moment nervös über die Zahnreihe. »Da hast du mich an einer wunden Stelle erwischt. Oder wie heißt es so schön in euren Märchen: Das hat dir der Teufel gesagt! «
    »Nein. Nur mein gesunder Menschenverstand.« Sie stand auf. Ihr Kopf fühlte sich frei an. Sie hatte gehört, was sie hören wollte, ihre Zweifel waren beseitigt. Sie hatte in einen Abgrund geschaut, dessen Grässlichkeit sie bis zu diesem Moment nicht für möglich gehalten hatte. Nun musste sie handeln. Welcher Schritt zuerst kam und welches Ergebnis daraus entstehen würde, lag noch im Nebel. Aber eines wusste Samantha: Wer ihr Wissen besaß, wer den definitiven Beweis hatte, dass im heutigen, weltaufgeschlossenen London Vampire ihr Unwesen trieben, der musste dagegen etwas unternehmen.
    Als habe Taddeusz ihre Gedanken verfolgt, kam er ebenfalls hoch. Er überragte sie um ein ganzes Stück. »Wenn alles so
schrecklich ist, was ich anstelle«, sagte er leise, »was hältst du davon, wenn ich dir mitteile, dass ich eine Niere für den kleinen Andrew habe?«
    Es traf sie wie ein Peitschenschlag. »Die will ich nicht!«, rief Sam in unverhohlener Panik. »Ich will gar nichts mehr von dir! Keine Niere und keine Liebe und ich will auch dein Kind nicht!«
    Er senkte den Kopf, bis sich ihre Stirnen beinahe berührten. »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.«
    »Natürlich stimmt es nicht.« Sie brach in Tränen aus. »Ich liebe dich, ich bin glücklich, das Zeichen deiner Liebe in mir zu spüren, aber … es ist ein Vampir! Du bist ein Vampir!«
    »Sei nicht zu hart mit uns.« Seine Hand umschloss ihren Hinterkopf wie eine Schale. Sam erschauerte. Sosehr sie sein fürchterliches Tun verabscheute, so

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