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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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aufgestanden. Er wusste, wozu seine Familie fähig war, er hatte all das befürchtet. Leider hatte er keine Ahnung, was er, der Schwächste von ihnen, dagegen tun konnte. Richard ging den gleichen Korridor entlang wie sein Bruder. Um nicht zu straucheln, stützte er sich an der Wand ab. Auch ihn verschluckte die Dunkelheit.

    »Unmöglich«, flüsterte Samantha. Sie lag stockstill und wartete. Nach einer Weile hoffte sie, sich getäuscht zu haben, und zog das Kissen unter den Kopf. Da war es schon wieder! Erst ein Kribbeln, dann ein leichter Ruck – ein Stoß, ohne Zweifel. Sie setzte sich kerzengerade auf. 5:53 zeigte die Weckeruhr, Sam hätte noch eine halbe Stunde schlafen können. Es war wirklich unmöglich. Um es sich zu beweisen, sprang sie aus dem Bett und bückte sich über die schmale Bücherreihe. Die Lernschwester, Die OP-Schwester, Aufsätze zur Organtransplantation, Angewandte Gynäkologie , lauteten die Titel . Mit dem letzten Wälzer schlüpfte sie unter die Decke und schlug ihn auf. Ungeduldig überblätterte sie die Kapitel über Empfängnis
und die ersten beiden Schwangerschaftsmonate, las flüchtig, was über den dritten dort stand, und hielt beim zweiten Trimenon inne. Sie zog die Lampe heran und las, dass im vierten Monat einer Schwangerschaft die Hormonproduktion aus dem Eierstock nicht mehr benötigt würde, da die Plazenta so weit ausgereift sei, dass sie die schwangerschaftserhaltenden Hormone selbst bildete. Die morgendliche Übelkeit bessere sich danach in der Regel.
    »So weit, so gut.« Ihr Blick glitt die Seite hinunter, und da stand es auch schon: Die ersten Bewegungen des Fötus werden spürbar. Sam ließ das Buch sinken und rechnete nach. Anfang Oktober hatte sie Taddeusz kennengelernt und etwa eine Woche später mit ihm geschlafen. Bald darauf war ihre Periode ausgeblieben. Ungewöhnlich früh hatten die Anfälle von Übelkeit begonnen. Und heute schrieben sie den 16. November. Während Samantha rechnete, passierte es zum dritten Mal. Ein Stoß, ein Ziehen, ein unübersehbarer Tritt gegen die Innenseite ihres Bauches.
    »Ich bin erst im zweiten Monat!«, rief sie, als könne sie das Phänomen damit zum Stillstand bringen. »Es kann sich unmöglich schon so kräftig bewegen!« Sie schaute ins Buch.
    Die Gewichtszunahme beträgt ca. 1,5 Kilo pro Monat. Rötliche Schwangerschaftsstreifen treten durch Dehnung des Bindegewebes auf. Häufig erscheint eine dunkle Linie zwischen Bauchnabel und Schambein.
    Vorsichtig, als habe sie eine Giftschlange im Bett, öffnete Sam die Knöpfe ihres Schlafanzugs bis hinauf zu den Brüsten. Langsam schob sie den Stoff beiseite. Sie hätte die Lampe gar nicht auf ihren Bauch zu richten brauchen; die Linea Negra war deutlich erkennbar. Es sah aus, als habe jemand einen
Strich auf Samanthas Bäuchlein gemalt. Bäuchlein? Das war mehr, einen regelrechten Wanst konnte sie ertasten. Die schmale Taille hatte einer Kugel Platz gemacht, nicht größer als eine Honigmelone, aber unübersehbar. An deren Rändern zogen sich unschöne Streifen entlang. Erschrocken, als habe sie einen Hautausschlag entdeckt, sprang Sam zum zweiten Mal auf, machte alle Lichter an, warf Jacke und Hose ab und stellte sich nackt vor den Spiegel.
    »Oh Gott.« Sie schlug die Hand vor den Mund. Dort stand ihr kein Teenager gegenüber, sondern eine sichtbar schwangere Frau. Ihre Beine waren ein wenig geschwollen, der Bauch sprang unter dem Nabel deutlich vor, die Brüste waren schwerer geworden, die Warzen dunkler. Hätte man Sam die Prüfungsfrage gestellt, in welchem Schwangerschaftsmonat sich diese Frau befand, sie hätte auf den fünften Monat getippt.
    »Wie ist das möglich, wie ist das nur möglich?«, wimmerte sie, voll Angst, die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren. Endlich fasste sie den Entschluss, den sie viel zu lange aufgeschoben hatte: Sie musste dringend zum Arzt.
    Der Wecker zeigte 6:12. Um diese Zeit war nur der Bereitschaftsdienst auf der gynäkologischen Abteilung, die Ärzte kamen nicht vor acht. Du machst es in der Mittagspause, beschloss sie. Die Gewissheit, dass man unter diesem Dach jede erdenkliche medizinische Hilfe bekam, machte sie ruhiger.
    Das Radio schaltete sich mit dem Wetterbericht ein, Samantha wechselte den Sender. Nackt wie sie war, warf sie das Handtuch über die Schulter und lief ins Bad. Als sie sich später anzog, registrierte sie, wie knapp der Schwesternkittel saß. Über Bauch und Busen spannte er so sehr, dass sie noch heute in die

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