Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
ein einfaches Bild, mit allen Möbeln, die man so brauchte. Gelüftet wurde auch, und die mit nur wenig Staub beschwerte Kutterschaufel bewies, dass Gretel regelmäßig zusammenfegte.
Der Steinkrug war halb gefüllt, wobei auffiel, dass die Rahmschicht für eine frisch stillende Mutter recht dick ausfiel. Schwester Ute schnupperte mehrmals über den Krug, drehte ihn hin und her, um dadurch die Fließfähigkeit der Milch zu beobachten.
»Sie riecht frisch und süß«, sagte sie, »fließt aber etwas schwer, weil sie gut Fett hat. Das zeigt, dass du nicht hungerst, sondern eher schon zuviel ansetzt.«
»Aber meinem Kleinen bekommt sie«, sagte Gretel trotzig. »Der Krug ist eng, deshalb staut es sich. Ich bring’ Euch einen Löffel, dann mögt Ihr kosten, wie wenig fett sie ist.«
»Das ist nicht nötig und beleidigen wollt’ ich dich nicht, Gretel«, entgegnete Schwester Ute versöhnlich. »Die Nagelprobe zeigt ja, dass sie richtig läuft und weder zu blau noch zu gelb ist. Außerdem: Welcher Säugling bekommt seine Mahlzeit schon kalt und aus einem Krug.«
Noch zweimal tunkte sie mit dem Daumen in den Krug, um zu prüfen, wie schnell die Milch bei schräger Fingerhaltung abfloss. Dann reichte sie Gretel den Krug zurück.
»Meine Brüste sind zwar nur mäßig groß«, sagte Gretel zögernd, »aber die Warzen stehen lang und steif. Ich verwende viel Mühe auf ihre Pflege, wasche sie jeden Abend kalt und betupfe sie dann mit etwas Quittenschleim.«
Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, kniete Gretel sich vor die Schwester, öffnete ihr Hemd und hob zur weiteren Begutachtung eine Brust aus dem Ausschnitt.
»Prall fühlt sie sich an«, sagte Schwester Ute anerkennend, »und weich und zart ist sie auch. Ich seh’ schon: Bei dir braucht man nur leicht auf die Warze trommeln, schon schießt dir’s ein. Gut, auf deinen Kleinen werfe ich beim Abschied noch einen Blick. Gehst du aber auch regelmäßig zur Beichte?«
»Einmal alle drei Wochen«, sagte Gretel verschämt, während sie sich wieder in Ordnung brachte. »Denn ich weiß nicht, was ich dem Priester sagen soll. Mein Mann liebt mich, ich ihn, und beichten kann ich ja kaum, dass es auf dem Markt jede Woche teurer wird.«
»Wenn’s ehrlich ist, was du sagst, so soll’s hingehen, aber es hört sich so an, dass dir die Umarmungen mehr bedeuten, als ihr Zweck es zum Kindermachen vorschreibt, wie?«
Gretel lief rot an und schaute beschämt zu Boden. Sie hatte sich verraten und fühlte sich ertappt. Worauf die Bemerkung der Schwester abzielte, war ihr bewusst, denn: Sehnsucht nach dem Mann stößt die Regel an, hatte ihr die Nachbarin erst gestern zugeflüstert. Und Ammen pflegte man dieses Sprüchlein mit auf den Weg zu geben, damit sie sich kasteiten, um länger vollwertig stillen zu können. Jetzt stand zu befürchten, dass sie deswegen nicht genommen werden würde.
Doch Schwester Ute ließ es genug sein. Sie hatte ausgiebig examiniert und eine innere Stimme riet ihr zu. Und je schneller sie es mit der Gretel abmachte, umso länger hatte sie noch vom Vormittag.
In Gretels unsichere Augen sagte sie: »Du wirst es schon heute Nachmittag anlegen. Es ist ein Mädchen und heute Morgen auf den Namen Barbara getauft. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Es ist abgemacht, wenn ich sehe, ob es ihm bei dir schmeckt. Dein Lohn ist ansehnlich, denn das Kind soll gedeihen, als wär’s eine Prinzessin. Auf einen Monat bekommst du einen Gulden und zusätzlich einen viertel Eimer Wein. Dreißig Ellen Windeltuch müssen reichen. Holz nach Bedarf. Aber glaub nicht, uns ausnützen zu können! Außerdem: Beim geringsten Unwohlsein hast du sofort zu uns zu kommen. Und jetzt will ich deinen Kleinen sehen.«
Schwester Ute hatte absichtlich streng gesprochen und machte eine abwehrende Bewegung, als Gretel ihr um den Hals fallen wollte. Die Hauptsache, das Mantelkind der Tennenbacher Zisterzienser war für die nächsten Monate in guten Händen. Vielleicht hatte Gott mit ihm ja Besonderes vor.
16
Es musste die erste Novemberwoche sein. Die Luft roch danach, und die Feuchtigkeit, die in den Rebzeilen hing, war von typischer Schwere. Barbara genügte dies vage Wissen um Monat und Woche völlig, denn über ihre Seele hatte sich ein schwarzer Schatten gelegt, der alles rechnende Nachdenken erstickte. Um nichts zu fühlen, nichts zu empfinden, schuftete sie mit der Angst einer Sklavin, die nicht wieder unter die Peitschenhiebe der Verzweiflung geraten wollte.
Nur die Rebstecken
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