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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Mutter hat auch eins bekommen, aber es ist schon auf dem Anger«, sagte der Junge. »‘s liegt neben meiner Schwester, die war zwei Jahre jünger, als ich jetzt alt bin. Und ich bin zehn.« Danach hielt er ihr die Maus am Schwanz direkt vors Gesicht. »Schwester, gibt es in der Hölle auch Mäuse?« fragte er besorgt, wobei er seinen Rotz laut hochzog.
    »Da gibt’s alles Getier, und selbst solches, das es auf Erden nicht gibt«, sagte Schwester Ute und schaute mit einem Grausen auf das zappelnde Tier. »Aber du, wen kann ich denn fragen, der das wissen könnte?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete der Junge, der es sich mit einemmal anders überlegt hatte und sich die Maus in die Hand setzte, um sie zu streicheln. »Aber Schwester, gibt es im Himmel Mäuse und wo wohnen denn dort eigentlich die Seelen?«
    »Frag mich nicht. Jedenfalls steht in der Bibel nichts davon geschrieben. Die Maus ist ja ein Tier. In den Himmel ruft Gott nur die guten Menschenseelen, aber vielleicht hat er dort auch ein Mäuseparadies eingerichtet. Und deine Maus kommt da bald hin, wenn du sie noch länger quälst.«
    Erschrocken schaute der Junge auf seine Maus, dann lachte er und rief: »Ich schenke sie dir, Schwester. Dann kommt sie bestimmt in den Himmel.«
    »Lass sie lieber frei«, entgegnete Schwester Ute lächelnd, »aber jetzt muss ich gehen, denn ich such’ eine Amme. Gott mit dir.«
    Sie hatte also tatsächlich den Namen vergessen. Gretel mit irgendwelchen Silben hintendrein hieß das Mädchen. Noch einen Versuch würde sie auf alle Fälle machen müssen. Erst wenn der nichts brächte, war die Sophie Heitstattler vom Kupfertor an der Reihe.
    »Gretels gibt´s hier viele, Schwester: Aber die mit dem Kind ist sicher die Gretel Müllernzagel«, sagte ein junger Schiffer, der mit einem Bündel Treibholz auf dem Rücken die Gasse hinaufkam. »Mag aber sein, dass sie heute in der Kirche ist, wie?«
    »Möglich, möglich. Ja, hoffentlich! Aber danke, denn die meine ich«, sagte die Schwester erleichtert, ohne sich über die Spitze des Fischers zu ärgern. »Aber wo kann ich sie finden?«
    Der Schiffer schnitt eine Grimasse und überlegte. Dann zuckte er mit den Achseln und sagte: »Genau weiß ich’s bestimmt nicht. Aber es wird eins von den drei Häusern sein, weiter unten. Vielleicht das mit den roten Fensterläden.«
    »Das reicht mir schon. Danke. Gott mit dir.«
    Schwester Ute hatte das Haus schon erspäht. Beherzt trat sie in den Flur und rief so laut sie konnte nach der Gretel. Aber niemand antwortete. Leicht erbost ging sie ins Nebenhaus und war entsetzt, wie wütend ihre Stimme klang. Doch das Glück hatte Erbarmen mit ihr. Eine Tür im zweiten Geschoss klackte, und ein kräftiges Ja scholl ihr entgegen.
    »Du bist die Gretel?« fragte Schwester Ute. »Die, welche sich gestern beim Justinger hat eintragen lassen?«
    »Ja, Schwester. Aber warum habt Ihr so geschrien? Man hätt’ meinen können, das Haus fiele zusammen«, sagte das Mädchen und wies Schwester Ute einen Stuhl in der Stube.
    »Es hat nichts zu bedeuten. Wahrscheinlich ist mir die Stimme ausgerutscht. Bei uns ist man ja eher Stille gewohnt als das Laute. Aber ich brauch’ dir sicher nicht weiter erklären: Wir suchen eine gesunde Säugamme.«
    »Da habt Ihr Glück, Schwester, denn eine bessere werdet Ihr in der ganzen Stadt nicht finden«, sagte Gretel selbstbewusst. »Schaut mich nur an. Ich bin jung und habe vor einer Woche entbunden. Mein erstes. Jetzt fließt es mir, dass ich nicht weiß, wo ich’s noch lassen soll. Seht selbst!«
    Gretel verschwand für einen Moment in der Küche und kam mit einem Steinkrug zurück, den sie der Schwester in die Hand drückte.
    »Bitte! Ich glaub’, ich darf sagen: Dies reicht für zwei.«
    Wirklich: Gretel machte einen gesunden Eindruck. Sie war stämmig, wirkte durch ihre Größe aber nicht klobig. Ein weißes Kopftuch bändigte nur unvollkommen das blondgekrauste dicke Haar. Gretels Augen standen hell und rein in einem etwas knochigen Gesicht mit kräftiger, leicht schiefer Nase. Die Lippen sahen zwar blass aus, strömten aber weibliche Sinnlichkeit aus, die durch die zart-flaumige Gesichtshaut mit den roten Apfelbäckchen etwas Keckes bekam. Schwester Ute schaute aber auch nach dem Aufputz: Der mochte diese Woche, in der Hoffnung eines Besuchs, sauberer sein als gewöhnlich, aber ohne Flicken war er allemal. Die Holzpantinen waren neu verledert, und die Füße, soweit zu sehen, weiß und ohne Schwielen. Die Stube bot

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