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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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wie die anderen in eine Schankstube gehen. Riecke zuliebe murmelte sie etwas von ihrem Keller, dann machte sich auf den Weg nach Oberrotweil.
    Schon im Vorraum der Schankstube wirbelte der Tabaksqualm so dicht, dass Barbara kehrtmachen wollte. Die pathetische, gewaltig laut deklamierende Stimme aber, die aus der Stube drang, machte sie neugierig. Als ob die Hölle hier ihren Schornstein hätte, drang der Rauch durch die Tür. Einen Schritt weiter sah Barbara im ersten Moment weder Stühle, Tische noch Menschen. Schließlich entdeckte sie noch einen freien Stuhl, auf den sie sich couragiert setzte, ohne zu fragen, ob er frei sei. Die beiden fetten, noch im Qualm nach Kuh duftenden Mägde neben ihr glotzten sie zwar kurz an, nickten dann aber freundlich. Auf dem Tisch lag ein fettverschmiertes Messer nebst einem Viertel Laib Brot. Zwei halbvolle Becher mit Rotem standen neben einem leeren Krug, dazu gesellte sich ein völlig ausgekratztes Töpfchen Schmalz. Die Vorlesestunde, in die Barbara hineingeplatzt war, musste schon weit fortgeschritten sein.
    Am Ende des längsten Tisches saß in seiner ganzen Gravität der Dorfschulmeister, vor ihm zwei Stummel Licht, eins auf einem Leuchter, das andere in den Hals einer Flasche gesteckt. Links und rechts neben sich zwei kleine Kinder, von denen eins den Mund aufsperrte und das andere in der Nase bohrte. Auf den anderen Plätzen saßen Rebbauern und Knechte, alle mit einem Stummelpfeifchen im Mundwinkel, aus denen der Knaster geradezu ordinär dampfte. Hohe Aufmerksamkeit zeichnete sich in den einen Gesichtern, Desinteresse in den anderen. Aber alle waren still und hörten zu. Denn was der Schulmeister gerade vortrug, war nichts Geringeres als die Schlussszene des gottlosen, frauenschänderischen Lebemanns Don Juan.
    Das abgegriffene Oktavbändchen in der Linken, die Rechte dem Auditorium gestikulierend entgegengestreckt, las der Schulmeister, als ob er die Höllenfahrt des Don Juan leibhaftig miterlebt hätte, unübertrefflich in Mimik und Ton und jedem Schauspieler ein niederschmetterndes Vorbild. Verwundert schilderte er das üppige Nachtmahl, sang gar ein Tanzlied, um es an keiner Farbe fehlen zu lassen und ahmte auf der Tischplatte die unheimlich schweren Klopfer nach, mit denen sich der steinerne Gast ankündigte. Dazu stampfte er derart mit dem Fuß, dass der Hund des Wirts zu jaulen begann. Seine Stimme grollte beim Komtur, der den Ruchlosen zur Reue aufforderte, stammelte die Angst des Dieners Pasquariello, höhnte mit heiserer Kraft die verwegene Starrheit des Wüstlings und überschlug sich bei den aus der Hölle ausbrechenden Furien, die den in kalter Angst rasenden Don Juan mit sich rissen. An die Wirtin und einen Rebbauern geschmiegt, zitterten die Kinder, und auch der mächtig feiste Wirt schaute einmal besorgt hinter sich, ob nicht etwa ein Abgesandter der Hölle den Beschwörungen des Schulmeisters gefolgt sei und hinter dem Ofen hervorlugte.
    Die beiden Mägde an Barbaras Tisch lauschten in verrenkter Haltung. Gefesselt die eine, deren Mund die Angst des Pasquariellos mitzitterte, dass sie schließlich sabberte wie ein Kleinkind, nervös die andere, die unentwegt eine ihrer Locken um den Zeigefinger zu wickeln versuchte und so heftig mit ihren Augendeckeln klimperte, als wollte sie damit den Qualm der Stube und den Schwefelgestank der Hölle vertreiben. Auch Barbara ließ sich soweit mitreissen, dass sie den Qualm und ihren Durst auf einen guten Schluck vergaß. Wie alle im Raum applaudierte sie begeistert, als der Schulmeister nach dem moralischen Abspann endigte und im gleichen Atemzug für die nächste Woche die Paraphrase des mannhaften Ritters Siegfried ankündigte.
    In einem Zug leerte der Schulmeister den hingestellten Becher, verlangte noch einen, den er genauso schnell wegschüttete, und biss dann mit sichtlichem Appetit in das auf einem Holzbrett servierte Bratenbrot. Wie eine Pflugschar schob sich endlich der Wanst des Wirtes an Barbaras Tisch. Den besten Ruländer, den er habe und ein ebenso appetitliches Bratenbrot, wie es sich gerade der Schulmeister schmecken ließ, wollte sie gerne bestellen, sagte sie. Vom Ruländer eine ganze Flasche und zwar mit drei Bechern, denn so allein würde er nicht schmecken. Vielsagend nickte sie den beiden ungläubig glotzenden Mägden zu, die sich überschwenglich bedankten, nachdem der Wirt nach einer Verbeugung wieder durch den Qualm gestapft war.
    »Einen prächtigen Schulmeister habt ihr«, begann Barbara die

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