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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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zu den Demütigungen, denen die Mehrzahl der Rebbauern durch ihren unfreien Stand und dem nur gepachteten Grund ausgeliefert waren. Deren Einkünfte regelte allein der Weinschlag, der Preis für den neuen Wein, den die herrschaftliche Kommission jährlich neu festsetzte und zu zahlen bereit war. Und dieser war immer zu niedrig. Sie dagegen durfte freie Preise ansetzen. Die Steuer stieg dabei zwar immer mit, und über jede verkaufte Flasche musste sie peinlich genau Rechenschaft ablegen, aber niemand konnte ihr in Sachen Qualität dreinreden, und niemand konnte sie zwingen, überhaupt zu winzern, zu arbeiten, Frondienste zu leisten, oder sich mit ihren Fuhrbütten zu den Herrschaftskeltern und -kellern zu quälen.
    »So, und jetzt hat Monsieur Ruinart das Wort!«, rief Barbara emphatisch. »Riecke, auf unser Wohl, dein und mein Glück, auf diesen Keller, diese Trauben, diese Fässer! Auf dass der van Bergensche Mousseux hier entstehe, reife und fürs erste genauso kostbar munde wie dieser Champagner!«
    17
    Am zweiten November, an Allerseelen, war das Fest der Toten. Sie zu ehren und ihnen zu gedenken, strömten die Menschen auf die Gottesäcker, mit Kerzen und Weihrauchstäbchen, Blumen, Kränzen und anderen Gebinden. Wer es sich leisten konnte, war von Kopf bis Fuß in seinen Trauerstaat gehüllt, wer weniger hatte, suchte in seinen Kleiderschränken und -truhen nach den dunkelsten Farben. Manche fromm gebliebene Alte hatte sich das weißgraue Haupt unter dem schwarzen Haarnetz gar zusätzlich mit Asche bestreut, und selbst die Ärmsten achteten auf schwarze Schuhe, die sie schon den Tag vorher mit fein geriebener Holzkohle und einem mit Schweinefett getränkten Lumpen gewichst hatten.
    Allerorten war viel echte Trauer: Um die vom Herrn zu früh genommenen Kinder, die qualvoll im Kindbett verzehrten Mütter, um die am Fieber, Wundbrand und anderen teuflischen Plagen Gestorbenen, um die Gemordeten, im Krieg Getöteten, einst Verhungerten, zu Unrecht Gerichteten, um die wenigen sanft und selig Entschlafenen und um die schicksalhaft, bei einem Unfall von Gott und den Heiligen Gestraften und Gezeichneten. Doch im Gebet Trost zu finden, wie es die Priester glauben machten, wollte nur schwer gelingen.
    Barbara stand mit dem Rosenkranz in der Hand vor Cees’ Grab, einen Schritt hinter Riecke, die mit einem zerknüllten Taschentuch in der Hand bewegungslos vor sich hin starrte. Drei Weihrauchstäbchen hatten sie vor das schwere Eisenkreuz gesteckt, eingerahmt von zwei gewaltigen, säulengleichen Kerzen, an deren langem Docht das Licht in schwarzen Rauchwolken fackelte. Es war fast windstill. Nur der wallende Nebel verursachte die Luftbewegung. Grau und kalt hüllte er alles ein, verschluckte jedes Geräusch und verhöhnte mit seiner feuchten Düsternis die Farben der letzten Herbstblumen. Im Triumph zog dieses Jahr die Melancholie durchs Land, und selbst die Sanguiniker begannen zu grübeln, dass sie irgendwann einmal nicht mehr ins Wirthaus zurückkehren würden.
    Dass der Tod genaugenommen der wahre Endzweck des Lebens sei, mit diesem Ausspruch Gregors hatte Johannes Barbara nach dessen Tod zu trösten versucht. Und hinzugefügt, dass Gregor in seiner Tennenbacher Zeit sich demütig mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen bekanntgemacht habe. Jeden Abend hätte er Gott gedankt, dass er seinem Steinmetz die Gnade gegönnt habe, den Tod als Schlüssel der wahren Glückseligkeit kennengelernt zu haben, daher auch Gregors ausgeglichene Heiterkeit. Barbara musste jetzt an diese Worte denken. Damals hatten sie natürlich keinen Trost gespendet, doch jetzt fand sie Gefallen an ihnen, schon deshalb, weil sie von Gregor waren. Trotzdem war sie weit davon entfernt, sie zu ihrer Philosophie zu erheben. Allein, sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie jetzt lieber vor Gregors Grab in Tennenbach gestanden hätte als mit Riecke vor dem ihres Mannes.
    Gedankenverloren schüttelte sie den Kopf. Cees’ Tod hatte sie berührt, aber doch eigentlich nicht getroffen. Sie war ehrlich genug, es sich einzugestehen. Dafür stieg Selbstmitleid in ihr auf. Auf dem Dorf verkündete das älteste Kind selbst den Tieren im Stall, dass der Hausherr oder die Hausherrin gestorben war. Ihr Tod dagegen würde niemandem angesagt werden, und keine Menschenseele würde ihr einst die Hand halten. Cees hatte es sich einfach gemacht, dachte sie unmutig. Sie doch eigentlich im Stich gelassen. Deshalb würde sie jetzt auch nicht um ihn weinen, sondern

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