Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
war sie denn? Barbara van Bergen. Winzerin, Champenoise und angehende Geschäftsfrau. Da passte nur ein reifer Mann an ihre Seite. So einer wie Bernward. Er würde an ihr knuspern dürfen. War er doch der standesgemäßere Liebhaber! Das Trauerjahr war vorbei!
24
Am späten Nachmittag würde sie auf Besuch kommen, rief sie Bernhard zu, und zwar um das Geld für den angemieteten Keller loszuwerden! Sie wusste, dass Maria sich dieses Mal besonders auf ihre Zahlung freute, denn so gut wie letztes oder gar vorletztes Jahr standen die Schnitzers diesmal nicht da. Wie bei fast allen andern Weinbauern war auch bei ihnen das Herbsten nicht besonders ausgefallen. Der kalte April im vergangenen Jahr hatte den Reben doch arg zugesetzt, was auch die feierlichen Prozessionen nicht mehr rückgängig machen konnten. Nun musste man den Gürtel enger schnallen. Alle Hoffnungen waren deshalb auf dieses Jahr gesetzt, und bis jetzt hatte der launische April Erbarmen gezeigt.
Barbara hatte wieder den Platz auf dem Kanapee einnehmen müssen. Bis zu Jacobs Eintreffen schwatzten und klatschten die beiden Hausherrinnen, indem sie die zweieinhalb Jahre, die seit ihrem Kennenlernen vergangen waren, Revue passieren ließen. Barbara erinnerte Maria an ihren damals so säuischen Eckerich-Hautgout, und Maria erzählte von den ergötzlichen Auslöseverhandlungen, die im letzten Herbst zwei Bauern miteinander geführt hatten.
»Weil der eine kurzerhand glaubte, die Nachbarschweine verarrestieren zu müssen, die ihm die Kohlbeete durchgepflügt hatten! Denkt Euch dies! Schweine als Gefangene!«
Maria musste laut lachen, wie sie Barbara die Geschichte erzählte. »Da hat der Schweine-Peter mit seinem Horn das Sammelzeichen geblasen, die Mägde haben den Verschlag geöffnet, und los ging`s in den Eckerich. Nur Annkatrin und Annabell, diese Namen, für Sauen!, waren zu faul. Als der Stinke-Peter es zwei Stunden später gemerkt hatte, war es zu spät! Bis zum Schulzen ist es gegangen!«
»So etwas wird bei uns wohl nicht mehr passieren können«, erwiderte Barbara nachdenklich. »Unser Hain ist zu klein, als dass es noch lohnte, Sauen dorthin zu führen. Und seit unser Grenzwächter sich seiner Früchte enthält, wirkt eh alles um ihn herum wie tot.«
»Ja, ich weiß«, sagte Maria. »Seine Blätter waren das letzte Jahr schlaff wie nie. Keiner im Dorf hat sie je so früh welken sehen. Die Alten sehen darin ein böses Omen.«
»Du Blitz, der du meinen Chevalier de chêne aufs Totenlager geschickt hast!«, sagte Barbara theatralisch. »Den Falschen hast du dir ausgesucht! Mörder lässt du laufen und hältst dich stattdessen ans wehrlose Alter!«
»Mein Polterer hat mir erzählt, wie sehr Ihr den Baum mögt«, meinte Maria leichthin. »Mir dagegen sind alle Eichbäume der Welt verdächtig. Wegen der Misteln. Wisst Ihr auch warum?«
Barbara konnte nur den Kopf schütteln und wunderte sich über den bitteren Unterton, aber Maria hatte sich schon Jenne zugewandt, die mit Caspar in die Stube gekommen war. Ob sie jetzt die Linsen warm machen sollte, fragte die Magd. Jacob wäre aus den Reben zurück. Der Herr Sohn dagegen wollte sich von anderer Hand bedienen lassen.
Jennes ironischer Tonfall war nicht zu überhören. Barbara beschlich für einen Moment die Ahnung, Jenne spiele mit Absicht so eindeutig auf Bernhards Amouren an, weil sie etwas wisse. Hatte Bernhard etwa ihre Vereinbarung gebrochen? Wusste vielleicht das ganze Dorf davon? Barbara schoss das Blut ins Gesicht und wagte nicht, Jenne in die Augen zu schauen. Zum Glück konnte sie sich hinter Caspar verstecken, der gleich auf das Kanapee gesprungen war und ihr scheinbar hingebungsvolles Kraulen mit wohlig schlitzigen Augen genoss. Erst Marias gleichgültig-unmutiges Gegrummel ließ sie wieder Hoffnung schöpfen. Beiläufig, mit gespielter Munterkeit fragte sie deshalb, ob der Herr Sohn sich öfters einladen lasse, und bekam die Antwort von Jacob, der gerade in die Stube trat:
»Nein, Madame. Nur wenn die Mutter Linsen auftischt. So hat er’s mir vorhin an den Kopf geschrien, als ich ihn dasselbe gefragt hatte. Und auch wenn die fremde Köchin sich ihm selbst zur Nachspeise anbietet, steckt er seine Füße doch lieber hier unter den Tisch.«
»‘s Grüßen hast wohl verlernt, Jacob, wie?«, herrschte ihn Maria an und schickte Jenne aus der Stube. »Tust so, als ob Madame van Bergen eine aus dem Dorf ist!«
»Madame kennt mich«, erwiderte Jacob gelassen, »und weiß, dass ich Rebbauer
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