Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
noch eine Decke in die Hand. Es brauche Zeit mit dem Ofen. Derweil hatte Jenne zwei Öllampen und die Gläser geholt. Sollte sie der Schulbasti langweilen, täte sie noch bis zehn vorbeikommen. Dann verabschiedete sie sich und wünschte eine fröhliche Geburtstagsnacht.
Maria zog sich den bekannten Armlehnstuhl heran, und eine ganze Weile schauten sich die beiden Frauen schweigsam an, bevor sie wieder in ein Gespräch fanden. In der Dunkelheit verbreiteten die Öllampen ein behagliches Licht, und je mehr der Kachelofen den Raum aufheizte, umso flüssiger und vertrauter fielen die Worte. Dies lag sicher auch an dem guten Ruländer, der Maria einige treffliche Komplimente entlockte. Barbara hatte Weihnachten letzten Jahres einige Flaschen abgefüllt und war stolz, wie edel sich dieser Wein jetzt schon im Glas ausnahm. Ihr Entschluss, ihn noch ein bis zwei Jahre im Fass zu lassen, wurde davon nicht berührt, aber etwas Neugier wollte sie sich schon leisten. Sich zur Sklavin ihrer Weine zu machen, kam für sie nicht in Frage.
»Über unsere Eiche hatten wir geredet«, sagte Maria und legte Barbara ein Stück Kuchen auf. »Dass sie vor zwei Jahren den Blitz angezogen hat, darin sehen ein paar Dorfalte eine Prophezeiung. Das Maß der Untaten im Dorf sei voll. Jetzt folgten die Strafen.«
»Ihr hattet auch angedeutet, dass Euch die Eichbäume an sich nicht ganz geheuer seien«, erwiderte Barbara. »Darf ich fragen, warum?«
»Das heisst, alte Geschichten aufwühlen«, seufzte Maria. »Aber wenn die Henne gackert, muss sie auch legen. Nur …«, sie zögerte, hob ihr Glas und sagte: »Vorher will ich Euch das Du anbieten. Als ob Ihr meine Tochter sind, so kommt`s mir gerade vor. Mein Kind, das die Lebensgeschichte seiner Mutter hören will.«
»Ich wollt’, es wär’ so«, antwortete Barbara. »Maria ist mein zweiter Taufname. Vielleicht sind wir uns deshalb so nah? Aber auf uns jetzt. Auf Barbara Maria und …«
»… Maria, die nur Maria ist und bleibt. Ach Barbara! Ich war viel jünger als du. Siebzehn gerade. Seitdem schau’ ich auf unsern Eichbaum mit eher düstrem Blick. Sicher weisst du, dass ein Mistelkranz als Taufschmuck beliebt ist. Natürlich nur Eichenmisteln. Dieser alte Weiberbrauch wurde meinem ersten Mann zum Verhängnis.«
»Dem Valentin? Jacobs Bruder?« Mit neugierigem Blick auf Maria kuschelte Barbara sich in die Decke. »Du hast einmal seinen Namen genannt. Damals, als wir über den Gellert gesprochen haben.«
»Valentin war mein erster Mann. In jeder Hinsicht«, fuhr Maria fort. »Ein Schnitzer, der hinter den Weibern genauso her war wie sein Bruder und jetzt Bernhard. Dabei hatte es der alte Johann Schnitzer gutgemeint. Wenn sein Valentin der Magd Maria Dengler, also mir, ein Kind mache, müsse er sie auch heiraten. So war das damals. So blieb mir der Hurenkarren erspart und dem Johann Schnitzer die Blamage, einen Frauenschänder zum Sohn zu haben.«
»Und das Kind, ist es gestorben?«, fragte Barbara leise. »Nach der Hochzeit?«
Maria nickte und blickte in ihr Glas. »Gott hatte es so entschieden. Und die Anna war sehr damit einverstanden. Hat sich gesagt, dass ihr als ungewollter Frucht die Verachtung des Dorfes entgegengeschlagen wäre. Dazu war Krieg.«
Maria machte eine Pause und versuchte zu lächeln. Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß sie eigentümlich entspannt in ihrem Armlehnstuhl und drehte ihr Weinglas in der Hand. Als ob sie auf etwas lauschte, hielt sie ihren Kopf. Nach einer Weile seufzte sie laut auf, begann dann aber mit festem Ton weiterzuerzählen.
»Valentin hatte der Krieg auf dem Gewissen. Sollte sich die Anna etwa ihr Leben lang anhören müssen: ‘Du bist die, der am Tauftag der Blutengel Pate stand? Getauft mit dem Blut deines Vaters?’«
»Aber wie sollte denn die Anna Schuld daran haben!«, rief Barbara empört aus. »Ein unschuldig Neugeborenes! Als ob es sich vom Vater einen Mistelkranz erbettelt hat! Zum sich Herausputzen!«
»So war’s, Barbara«, entgegnete Maria langsam. »An so einem Tag ein solches Unglück? Noch heut malt man den Menschen wegen Geringerem das Kainsmal an die Stirn. Wie haben sie mich alle gemieden! Gehasst! Auf einmal war Valentin beliebt. Und Maria Dengler so etwas wie eine abergläubische Hexe, die ihren Mann in den Tod geschickt hat. Der alte Brauch wurde geleugnet. Alles hat man umgedreht. Tausend Gründe flüsterte sich das Dorf zu. Aber mich haben sie nicht untergekriegt!«
Maria hatte in einen harten Ton
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